Redezeit

»Die Leute genießen ihr Leben«

Frau Alon, Sie haben das Magazin »Spitz« initiiert. Was genau verbirgt sich dahinter?
Eigentlich ist alles aus meinem Blog »Berlinerit« entstanden, den ich seit drei Jahren schreibe. Aber der Blog ist sehr persönlich. Ich berichte darin aus meinem Leben als Israelin, die mit ihrer Familie in Berlin ist. Das Magazin ist ganz anders.

Warum haben Sie diesen Namen ausgewählt?
Das Wort hat deutsche Wurzeln und wurde mit der Auswanderung ins Hebräische übertragen. Es hat neben der Bedeutung, dass etwas scharf ist, noch eine andere: nämlich, dass etwas cool ist und eine hohe Qualität hat. Außerdem hört es sich gut an.

»Spitz« ist ein Magazin komplett auf Hebräisch. An wen richtet es sich?
Ich habe während der vergangenen Jahre, in denen ich hier gelebt habe, gemerkt, wie schnell die israelische Community gewachsen ist. Viele sind aus den unterschiedlichsten Gründen in Berlin. Kamen früher hauptsächlich Studenten, sind es heute eher Familien. Es gibt viele Initiativen, wie zum Beispiel einen, Buchmarkt, Nachmittagstreffen und Angebote für Jugendliche. Ich habe gemerkt, dass viel los ist. Und wenn es eine Community gibt, warum dann nicht auch ein Magazin.

Wie oft wird es erscheinen?
Die nächste Ausgabe wird im September veröffentlicht. Es ist ein nicht kommerzielles Magazin und soll ein kulturelles gemeinschaftliches Projekt sein.

Was hat Sie an Berlin fasziniert?
Mein Mann ist Deutscher, aber in Israel aufgewachsen. Er ist Maler und wollte schon früher nach Berlin, der Kustszene wegen. Zuerst war ich mir etwas unsicher: Ich hatte einen Job als Redakteurin bei einer Tageszeitung, aber dann dachte ich: Warum nicht? Also haben wir unsere Sachen und unsere Kinder gepackt und sind nach Berlin gekommen.

Und welchen Eindruck hatten Sie von der Stadt?
Es gibt viele Dinge, die spannend sind. Aber das, was mich am meisten beeindruckt hat, ist, dass Berlin eine richtige Metropole ist. Allerdings merkt man hier nicht den ständigen Konkurrenzkampf. Berlin ist offen und interessant. Die Stadt entwickelt sich immer weiter. Trotzdem sind die Leute nicht so wahnsinnig darauf konzentriert, Geld zu machen, beruflich voranzukommen. Ich habe den Eindruck, dass Berliner ihr Leben genießen und es eine gute Balance zwischen Leben und Arbeit gibt. Natürlich fasziniert mich als Jüdin auch das außergewöhnliche Zusammenspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Man spürt Geschichte auf vielen Ebenen. Ein ganz praktischer Grund ist auch, dass die Stadt, obwohl sie nicht mehr so günstig ist wie vor zwei Jahren, immer noch von den Lebenshaltungskosten her erschwinglich ist.

Viele vergleichen Tel Aviv oft mit Berlin. Wie ähnlich sind sich die beiden Städte?
Wahrscheinlich gibt es doch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Aber etwas in dem Geist der Leute, in der Kreativität der Menschen, in der Offenheit und in der Atmosphäre ist schon ähnlich. Tel Aviv ist sehr klein, stressig und auch in gewisser Weise klaustrophobisch – mit dem Meer als einzige Befreiung. Berlin hingegen ist weniger intensiv. Ich fühle mich hier schon sehr zu Hause. Ich weiß nicht, ob ich dieses Gefühl auch in Stuttgart oder München hätte.

Tal Alon lebt in Berlin und bloggt.

www.facebook.com/SpitzMagazin und www.facebook.com/Berlinerit

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  30.10.2025

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025