Sport

»Die Hemmschwelle ist gesunken«

Diskutierten online: Marcel Reif, Peter Fischer, Uwe Becker und Alon Meyer (v.l.o. im Uhrzeigersinn)

Wie zeigt sich der Judenhass im Sport, speziell im Fußball, und was kann dagegen unternommen werden? Darüber sprachen am Mittwochabend Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt, Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, und Uwe Becker, Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen. Der Frankfurter CDU-Politiker war in seiner Funktion als Präsident der »Freunde der Tel Aviv Universität« zugleich Gastgeber der einstündigen, im Internet übertragenen Diskussion.

Der Sportjournalist Marcel Reif moderierte den Abend. Dass das Gesprächsthema für ihn nicht selbstverständlich ist, machte Reif schon zu Beginn deutlich. Er erinnerte an seinen verstorbenen jüdischen Vater, der die Schoa überlebt hatte. Dass man heute, im Jahr 2020, von Antisemitismus als Bewegung und Richtung rede, hätte sich sein Vater niemals vorstellen können, sagte Reif.

attacken Wie oft der Judenhass sich auf dem Fußballplatz äußert, berichtete Alon Meyer: »Wir erfahren es allwöchentlich.« Die Makkabi-Spieler würden beleidigt, es gebe Attacken, mitunter sogar mit Messer und Baseballschläger. »Die Anfeindungen steigen exponentiell, wenn im Nahen Osten die Situation eskaliert«, sagte Meyer weiter. Man werde als jüdischer Verein in Frankfurt für Israel in Haftung genommen. Die Hemmschwelle sei gesunken und die Gewaltbereitschaft gestiegen, so Meyer. »Das können und wollen wir nicht akzeptieren«, mahnte er.

Im Westen Deutschlands käme ein Großteil der Übergriffe von Personen mit arabisch-muslimischem Hintergrund, berichtete Meyer. Becker sagte, vieles aus dem Alltagsantisemitismus in Schulen und im Sport käme aus dieser Richtung. Er stellte aber auch klar: »Islam ist nicht gleich Antisemitismus.« Es müsse Begegnung stattfinden, mahnte Becker. Als positives Beispiel benannte er neben Makkabi auch das Projekt »Meet a Jew« des Zentralrats der Juden.

Makkabi-Präsident Alon Meyer sprach von vielen muslimischen Mitgliedern, »die mit dem Davidstern auf der Brust um Punkte kämpfen«. Sie würden oft beleidigt.

Meyer machte auf den großen Anteil nichtjüdischer Mitglieder bei Makkabi aufmerksam. Er sprach von vielen muslimischen Mitgliedern, »die mit dem Davidstern auf der Brust um Punkte kämpfen«. Sie würden oft beleidigt. »Das sind Botschafter des Guten, die wir brauchen«, sagte Meyer über die Makkabi-Fußballer. Er fügte kämpferisch hinzu: »Wir wollen sie bestärken und bekräftigen als Verteidiger demokratischer Werte.«

afd Peter Fischer verteidigte seine vor einigen Jahren in einem Interview geäußerte Haltung, AfD-Mitglieder nicht in seinem Verein zu dulden. Es gelte, klare Kante zu zeigen, sagte der Eintracht-Präsident. »Wir müssen laut werden«, forderte Fischer. Botschaften allein reichten nicht, man müsse handeln.

Auch die Rolle sozialer Medien kam in der Diskussion zur Sprache. Durch die Möglichkeit, sich in der Anonymität zu verstecken, sei die Hemmschwelle noch weiter gesunken, beklagte Meyer. »Social Media sind ein Brandbeschleuniger von Antisemitismus«, meinte Becker. In Zeiten von Corona verbreiteten sich Verschwörungstheorien gegen Juden und Israel. Der CDU-Politiker mahnte eine höhere Verantwortung der Plattformbetreiber an.

Lesen Sie mehr dazu in der nächsten Ausgabe.

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025

Feier

Zusammenhalt und Zuversicht

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lud zum Neujahrsempfang in den Hubert-Burda-Saal

von Esther Martel  02.11.2025

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  02.11.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025