Wardenburg

Die Geschichte der Kugelmanns

Das Haus von Louis Kugelmann (Foto r.: mit Frau Frieda und Tochter Erna Gellert) und seine Geschwister Elise und Julius (o.) sowie Tochter Selma Grünberg (l.). Foto: Isensee

Wardenburg

Die Geschichte der Kugelmanns

Nur zwei Familienangehörige überlebten die Verfolgung

von Heide Sobotka  02.01.2012 17:32 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Werner Meiners beschreibt in seinem Buch Unsere jüdischen Nachbarn die Geschichte der Familie Kugelmann aus Wardenburg. Die Schoa überlebt haben nur Selma Kugelmann und ihre Cousine Gertrud. Selma konnte Deutschland 1949 in Richtung USA verlassen. Gertrud war schon 1939 nach Australien ausgewandert.

Meiners erstellt eine Familienchronik ab Ende des 19. Jahrhunderts. Die Kugelmanns seien schlichte Dorfjuden gewesen, werden von ihren Nachbarn als »freundlich und hilfsbereit« beschrieben. Sie sind Mitglieder der Feuerwehr und von Vereinen, um 1900 geachtete Mitbürger.

Ehrenplatz Sie scheinen traditionelle orthodoxe Juden gewesen zu sein. Familienoberhaupt Daniel Kugelmann besitzt jedenfalls einen Ehrenplatz in der Oldenburger Synagoge. Die Frauen arbeiten mit, Elise Kugelmann wird als sehr gute Köchin beschrieben, die bei der Ausrichtung großer Feste mithilft. Frieda betätigt sich in einer Großdampfwäscherei, Selma gilt als sehr kontaktfreudig. Die finanziellen Verhältnisse der Familie sind mal schlecht, mal etwas besser. Kugelmanns erleben die Weltwirtschaftskrise und erholen sich wieder davon.

Nach der Machtübernahme beginnt im engen ländlichen Milieu die Ausgrenzung. Man versucht, Juden vom Viehhandel auszuschließen. Erna geht 1934 nach Leipzig, um in der Großstadt »unterzutauchen«. 1935 leben nur noch vier Familienmitglieder in Wardenburg.

1937 gehen Semmi und Rosa nach Berlin. 1938 heiratet Selma David Grünberg und zieht ebenfalls nach Leipzig. Als polnische Staatsbürger (durch ihre Heirat mit David, der aus dem polnischen Kolmea stammt, ist auch Selma Polin) sind sie in Deutschland unerwünscht.

Antisemitismus In Wardenberg lebt 1940 kein Jude mehr. Die alten zogen in ein Altersheim nach Hamburg. Der Antisemitismus der kleinen Gemeinde richtet sich, so stellt der Autor fest, allgemein gegen das Judentum und vor allem gegen Ostjuden, nicht aber gegen die »Nachbarn«. Die seien ja »harmlos« gewesen, wird man später feststellen.

Julius Kugelmann, damals schon 80-jährig, und seine acht Jahre jüngere Schwester Elise werden zunächst nach Theresienstadt und von dort sofort in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Louis und Frieda Kugelmann werden zusammen mit ihrer Tochter Erna im Mai 1942 in Auschwitz ermordet, sie lebten zuvor im ostschlesischen Gleiwitz. Semmis Familie kommt in Sobibor um. Selma und David überleben im Keller einer ukrainischen Bauernfamilie, die sie versteckt.

Erklärungen Meiners ergänzt die detailreich recherchierten Schicksale um historisches Bildmaterial, Schriftdokumente, Zeitungsausschnitte und grau unterlegte Erklärstücke. Auf der hinteren Klappenseite sind die Wanderungs- und Deportationswege der einzelnen Familienmitglieder auf einer Karte verdeutlicht.

Er wünsche sich eine breite Leserschaft, schreibt der Historiker Albrecht Eckhardt in seinem Geleitwort. Wer sich anhand einer Familie ein Bild davon machen möchte, wie die NS-Vernichtung auch historisch unbedeutende Menschen verfolgte, hat hier ein anschauliches Beispiel. Meiners ist es zu verdanken, dass auch ihre Schicksale in Erinnerung bleiben.

Werner Meiners: Unsere jüdischen Nachbarn. Wege und Stationen im Leben der Familie Kugelmann aus Wardenburg. Isensee, Oldenburg 2011, 204 S., 18 €

Porträt

Tragischer Macher

Heute vor 100 Jahren wurde Werner Nachmann geboren. Viele Jahre lang prägte er das deutsche Nachkriegsjudentum. In Erinnerung bleibt er allerdings für etwas anderes

von Michael Brenner  12.08.2025

Berlin

Amnon Barzel im Alter von 90 Jahren verstorben

Von 1994 bis 1997 leitete Barzel die Abteilung Jüdisches Museum im damaligen Berlin Museum. Er setzte sich für dessen rechtliche Eigenständigkeit ein.

 12.08.2025

Erinnerungszeichen

Schicksal und Gedenken

Auszubildende von »Münchner Wohnen« recherchieren in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat Biografien

von Luis Gruhler  11.08.2025

Mannheim

»Ich wurde behandelt wie ein Täter«

Ein Palästina-Aktivist attackierte Benny Salz, den früheren Gemeindevorsitzenden, vor den Augen der Polizei

von Ralf Balke  11.08.2025

Berlin

Wegen israelischer Zeitung beleidigt

In einem Bus auf der Linie M19 wurde am Freitag ein Passagier angriffen, weil er eine israelische Zeitung auf dem Handy las

 11.08.2025 Aktualisiert

München

Eine zweite Familie

Vor anderthalb Jahren wurde die Zaidman Seniorenresidenz eröffnet – mittlerweile hat sie sich zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt

von Luis Gruhler  10.08.2025

Berlin

Expressionisten in der jüdischen Galerie

Teilnehmer des Kunstateliers Omanut präsentieren ihre Werke – inspiriert von einem Besuch im Brücke-Museum

von Alicia Rust  10.08.2025

Tu beAw

»Es war Liebe auf den ersten Blick«

Barbara und Reinhard Schramm sind seit fast 60 Jahren verheiratet. Ein Gespräch über lange Ehen, Glück und Engagement

von Blanka Weber  10.08.2025

Porträt der Woche

»Ich brauche den Input«

Regina Potomkina ist Grafikdesignerin, studiert Kunst und liebt Surrealismus

von Eugen El  10.08.2025