Ferien

Daycamp statt Malle

Wer nicht Sonne, Wind und Meer genießen kann, für den gibt es auch zu Hause vielfältige Aktivitäten. Foto: Thinkstock

Auch wenn es angesichts von Dauerregen und Temperaturen, die vielerorts derzeit deutlich unter 20 Grad liegen, nicht wirklich so wirkt: Der Sommer hat begonnen, und in einigen Bundesländern wie in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind schon Schulferien.

Für die jüdischen Gemeinden steht vor der allgemeinen Urlaubzeit die Frage: Nur einen Notbetrieb aufrechterhalten oder trotz der vielen Mitarbeiter, die schulpflichtige Kinder haben und verreisen, den Mitgliedern den gewohnten Service bieten?

Brandenburg In der mit 150 Mitgliedern kleinen jüdischen Gemeinde Brandenburg, die nur über einen Gebetsraum verfügt, herrscht trotz der gerade begonnenen Sommerferien Alltag. »Wir machen keine Pause, unsere Aktivitäten finden so wie immer statt«, sagt Irina Jekhilchuh, die im Sekretariat der Gemeinde arbeitet.

»Bei uns gibt es nur ehrenamtlich Tätige, manche fahren zwar weg, aber es sind ja jetzt keine jüdischen Feiertage oder Feste, bei denen viele helfende Hände gebraucht würden.« Und bis zur nächsten großen Veranstaltung dauert es ebenfalls noch: »Erst im November findet ein Konzert statt.«

»Sommerspaß im Ferienlager Gan Israel« heißt es in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Chabad Lubawitsch und die Jüdische Gemeinde Hannover organisieren zusammen ein zweiwöchiges Ferienangebot für Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren. Das tägliche Angebot umfasst Ausflüge, Bootsfahrten, kreatives Werken, Theater und Spiel. Ganz preiswert ist der Spaß allerdings nicht. Für das erste Kind stehen 119 Euro an, jedes weitere Kind müsste 99 Euro zahlen. Ermäßigungen seien jedoch auf jeden Fall möglich, betont die Jüdische Gemeinde Hannover.

In der Drei-Städte-Gemeinde Duisburg/ Mülheim/Oberhausen wird in der Ferienzeit alles wie sonst auch sein – fast. »Die Gemeindeverwaltung läuft weiter, wir sind immer voll funktionsfähig«, sagt Geschäftsführer Michael Rubinstein. Sommerpause machen lediglich Makkabi und die Religionsschule. Die Gottesdienste finden hingegen wie gewohnt statt. Die Teilnehmer des Hebräischkurses können den ganzen Sommer über lernen, das wöchentliche Tanzcafé für die Senioren macht nur im August einmal Pause.

Für die Kinder aus den drei Ruhr-Städten wird auch in diesem Jahr wieder ein zweiwöchiges Daycamp angeboten. In Zusammenarbeit mit dem Duisburger Kindertheater »Kreuz und quer« entsteht ein eigenes Theaterstück, das zum Ende des Camps aufgeführt wird. »Zusammen werden geeignete Requisiten und Kostüme aus dem Fundus ausgesucht, doch es wird nicht nur Vorgefertigtes verwendet, sondern auch gebastelt«, erzählt Rubinstein. Außerdem stehen neben Anleitungen zum professionellen Schauspiel auch Konzentrations- und Entspannungsübungen auf dem Programm.

»Natürlich wird dabei auf Jüdischkeit geachtet, sagt Rubinstein. «Wir bieten den Teilnehmern in dieser Zeit ein koscheres Mittagessen. Das Theaterstück hat immer ein jüdisches Thema, im vergangenen Jahr war es Jona und der Wal. Die Madrich aus dem Jugendzentrum sind während des Camps genauso vor Ort wie unsere Familienbeauftragte.» Bis zu 30 Kinder ab sechs Jahre nahmen in der Vergangenheit am Theater-Camp teil. «Die Grenze nach oben ist aber offen», betont der Geschäftsführer.

Touristen In Nürnberg dauert es noch etwas, bis die Sommerferien beginnen, die bayerischen Schulkinder bekommen erst in den letzten Julitagen Zeugnisse. «Wir sind mit knapp 2000 Mitgliedern eine große Gemeinde, wir können es uns gar nicht leisten, zuzumachen», sagt Eugenia Schönmeier vom Sekretariat. Bis auf den Religionsunterricht für die schulpflichtigen Kinder finden alle Angebote auch während der Urlaubszeit statt.

Die Türen müssten auch für ausländische Touristen offen bleiben. Einige besuchen in der Zeit die Gräber ihrer Angehörigen auf einem der beiden jüdischen Friedhöfe. «Wir haben immer mal wieder Besuch, in der Ferienzeit aber eigentlich nicht mehr als sonst. Einer der Friedhöfe ist nicht mehr in Betrieb, der Schlüssel muss dann hier in der Gemeinde abgeholt werden. Deswegen melden sich viele Besucher bei uns», sagt Schönmeier. Ebenfalls sei die bereits 1296 erstmals urkundlich erwähnte Synagoge für Touristen attraktiv.

Auch die 3000 Mitglieder der in Stuttgart ansässigen Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) müssen nicht fürchten, während der Ferien vor verschlossenen Türen zu stehen, weil die Gemeinde nur in Notfällen erreichbar ist. «Auch wenn natürlich viele Kollegen mit Kindern in den Urlaub fahren, halten wir den Betrieb im gewohnten Maße aufrecht», heißt es aus Stuttgart.

Für württembergische Kinder im Alter zwischen fünf und 13 Jahren gibt es auch in diesem Jahr wieder das schon traditionelle elftägige Sommercamp. Auf Daycamp-Basis – die Kinder werden von ihren Eltern morgens gebracht und abends wieder abgeholt – finden täglich ganz unterschiedliche Aktivitäten, wie ein Ausflug ins Legoland Günzburg, statt. Allerdings sollte man sich mit der Anmeldung beeilen, bis zum 1. Juli läuft zwar die entsprechende Frist, erfahrungsgemäß sind dann viele Plätze in den entsprechenden Altersstufen bereits vergeben.

Die jüdischen Senioren Württembergs können während des Sommers beispielsweise die Veranstaltungen des entsprechenden Klubs besuchen, «eingeschränkt werden wir nur durch das Wetter, bei großer Hitze gehen ältere Menschen erfahrungsgemäß nicht so gerne nach draußen.»

ZWST «Laut und ein bisschen unbequem» wird es während der Sommerferien, die Ende Juli beginnen, in der jüdischen Gemeinde Aachen. «Wir schließen nicht, der Rabbiner ist da, das Büro ist besetzt. Aber es werden Reparaturen am Gebäude stattfinden», sagt Vorstandsassistent Alexander Drehmann. «Zum Glück ist es nur eine Renovierung und keine Sanierung, aber einige Beeinträchtigungen wird es schon geben.» Bis Ende August, kurz bevor die Hohen Feiertage beginnen, werde man aber fertig sein.

Die in dieser Woche eröffnete Ausstellung zum Thema «Juden in Shanghai» werde aber trotz der Arbeiten in den nächsten zwei Monaten zu sehen sein. Zehn Aachener Kinder werden die Angebote der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, ZWST, nutzen und an einem der Camps teilnehmen. Ob man für diejenigen, die daheim bleiben, besondere Veranstaltungen anbietet, ist noch nicht klar, «wir überlegen noch», sagt Drehmann.

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Spremberg

Gegen rechtsextreme Gesinnung - Bürgermeisterin bekommt Preis

Rechtsextreme sprechen im ostdeutschen Spremberg vor Schulen Jugendliche an. Die Schüler schütten ihrer Bürgermeisterin ihr Herz aus - und diese macht das Problem öffentlich. Für ihren Mut bekommt sie jetzt einen Preis

von Nina Schmedding  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025