Berlin

Das Blickfeld erweitern

Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann während seines Impulsvortrages heute Nachmittag in Berlin Foto: Screenshot

Es war ein Anschlag, der weltweit für Trauer und Entsetzen gesorgt hatte. Damals, vor genau fünf Jahren, steuerte ein tunesischer Islamist einen Sattelschlepper in die Besuchermenge des Weihnachtsmarktes am Berliner Breitscheidplatz. 13 Menschen starben. Der Schock und die Fassungslosigkeit sind bis heute geblieben.

Heute nun fand in Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags und um die Sicherheitsbehörden künftig mehr für die Gefahren des Terrorismus zu sensibilisieren ein Symposium unter dem Motto »Antisemitismus – Herausforderung für Polizei, Sicherheitsakteure und Gesellschaft« statt. Ausgerichtet wurde es von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und der Senatsverwaltung für Inneres und Sport.

»Antisemitismus ist Gift für unsere Gesellschaft. Und immer wieder Ausgangspunkt von Gewalt und Terror.«

Berlins Innensenator Andreas Geisel eröffnete die digital durchgeführte Fachtagung. Er betonte, mit dem diesjährigen Fokus auf Antisemitismus wolle man das Blickfeld erweitern. »Warum der Fokus auf Antisemitismus? Weil latenter Antisemitismus Gift für unsere Gesellschaft ist. Und immer wieder Ausgangspunkt von Gewalt und Terror. Der Schutz jüdischen Lebens und damit einhergehend der Schutz jüdischer Einrichtungen ist in einer Metropole wie Berlin eine besondere Aufgabe, der ich eine herausragende Bedeutung beimesse«, sagte Andreas Geisel.  

ABGRENZUNG In seinem Impulsvortrag ging Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, auf verschiedene Formen des Antisemitismus ein. Er verwies zunächst auf die wichtige Abgrenzung antisemitischer Vorfälle zum Rassismus. »Der Kampf gegen beide Phänomene kann nur effektiv sein, wenn wir die Phänomene nicht vermengen«, sagte Daniel Botmann.

Gerichtet an Justiz und Sicherheitsbehörden forderte Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann mehr Bewusstsein für die Wahrnehmung antisemitischer Vorfälle als Straftaten.

Er machte auf Fakten von RIAS, der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, aufmerksam, die sich auf Berlin beziehen: »RIAS hat in seiner Veröffentlichung zum vergangenen Jahr 1004 antisemitische Vorfälle aufgeführt. Das sind die Vorfälle, die in der Statistik auftauchen, es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist.« Darunter seien 17 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 51 Bedrohungen, 770 Fälle verletzenden Verhaltens und 123 Fälle antisemitischer Massenzuschriften.

STRAFVERFOLGUNG Positiv hob Daniel Botmann Präventionsmaßnahmen hervor, die insbesondere nach dem judenfeindlichen Attentat von Halle die Sicherheit jüdischer Einrichtungen erhöht habe. Im Ausbau der Sicherheitsinfrakstruktur sei zwar noch viel zu tun, aber man sei auf einem guten Weg. Gerichtet an Justiz und Sicherheitsbehörden forderte er jedoch mehr Bewusstsein für die Wahrnehmung antisemitischer Vorfälle als Straftaten.

»Wir erleben, dass regelmäßig antisemitische Straftaten nicht als solche gesehen und es deswegen auch nicht zur Einleitung von Strafverfahren kommt.«

»Denn Sorgen bereiten uns die konsequente Strafverfolgung bei antisemitischen Vorfällen«, so der Zentralratsgeschäftsführer. »Hier erleben wir, dass regelmäßig antisemitische Straftaten nicht als solche gesehen und es deswegen auch nicht zur Einleitung von Strafverfahren kommt.« Er sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr Fortbildungen zur Anwendung der Arbeitsdefinition Antisemitismus innerhalb der Polizei sowie bei Mitarbeitenden der Justiz wie Strafanwälten und Richtern aus.  

Am Sonntag dieser Woche jährt sich der Terroranschlag zum fünften Mal. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) werden an einer ökumenischen Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche teilnehmen. An der Andacht wird auch Rabbiner Andreas Nachama beteiligt sein.

Lesen Sie mehr dazu und zu dem Gedenken am Breitscheidplatz in unserer nächsten Printausgabe.

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Hanau

Greifbare Geschichte

Ein neues 3D-Denkmal zeigt die alte Judengasse der hessischen Stadt

von Eugen El  09.11.2025

Potsdam

Mehr Geld für jüdische Gemeinden in Brandenburg

Brandenburg erhöht seine Förderung für jüdische Gemeinden auf 1,2 Millionen Euro

 09.11.2025

Namensgebung

Jüdische Pionierinnen

In Berlin erinnern künftig zwei Orte an Clara Israel, die erste Leiterin eines Jugendamts, und an Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt

von Christine Schmitt  09.11.2025