Lauder

Brachot in der Bibliothek

Inmitten von Rabbinern und Schülern: Rabbi Aharon Steinman Foto: Alexander Janetzko

Rund 150 Männer – unter ihnen viele Studenten und zahlreiche Rabbiner – erheben sich. Der Ehrengast aus dem israelischen Bnei Brak, Rabbiner Aharon Yehuda Leib Steinman, bleibt am weiß eingedeckten Tisch direkt vor dem Toraschrein sitzen. Im Saal des Beit Midrasch im ersten Stock der »Yeshivas Beis Zion« in der Brunnenstraße in Mitte ist es am Mittwochabend vergangener Woche heiß, sehr heiß. Durch die Fenster kommt nur wenig frische Luft. Doch scheint das niemanden zu stören, alle schauen gebannt nach vorn, zu dem 97-Jährigen, der als »geistiges Oberhaupt unserer Generation« angekündigt wurde. Immer wieder zücken einige ihre Fotoapparate oder machen mit ihren Handys ein paar Bilder vom prominenten Geistlichen, dem Anführer der weltweiten orthodoxen litauischen Gemeinschaft.

Rede Rabbiner Steinman blickt kurz in die Runde und beginnt dann mit seiner in Hebräisch gehaltenen Rede: Er erinnert daran, dass in der Vergangenheit in Deutschland, dem damaligen Aschkenaz, viele große Toralehrer und bedeutende Rabbiner gelebt haben. Dann spricht er von der großen Gnade, »chessed gadol«, dass 60 Jahre nach dem größten Verbrechen in der Geschichte des jüdischen Volkes mitten in Berlin wieder Tora gelernt und verbreitet werden kann. Die Zuhörer verfolgen interessiert die Worte des Gelehrten, die anschließend noch ins Englische übersetzt werden. Nach gut einer Stunde ist die »Versammlung der Bnei Tora«, die mit einem gemeinsamen Minchagebet begann und mit einem von Rabbi Yoel Smith zitierten Psalmen-Kapitel endet, vorüber. Wieder stehen alle auf. Sie werden gebeten, an ihren Plätzen zu bleiben, während der Gast den Saal verlässt. Gesang ertönt: »Gelobt seist Du, Ewiger, König der Welt«.

Reaktionen In dem Pulk von Menschen ist Rabbiner Steinman kaum auszumachen, da schaut Menasche Simha Frandlih noch immer ganz fasziniert auf das Geschehen. Der 19-Jährige aus Chemnitz lernt sei drei Jahren in der Jeschiwa. »Es war überwältigend, so ein großes Vorbild sehen und hören zu können. Das wird mein Lernen sicherlich befördern.«

Rabbiner Joshua Spinner, Vizepräsident der Ronald S. Lauder Foundation, dankt dem Ehrengast. Er nennt ihn ein Vorbild, das der Verantwortung nachgekommen ist, jüdisches Lernen und Leben zu unterstützen. Dies sei von besonderer Symbolkraft in einer Synagoge, die vor rund 100 Jahren erbaut und vor 72 Jahren zerstört wurde, und jetzt wieder eine Zukunft habe. Der Dortmunder Gemeinderabbiner und Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, Avichai Apel, findet das alles »einfach gewaltig«, und meint: »Wenn ein so bedeutender Gelehrter, der sein ganzes Leben der Tora gewidmet hat, zu uns kommt, dann ist das ein großes Signal für das Judentum hierzulande.«

Meir Lisserman ist eigens aus Frankfurt am Main angereist. Der 28-jährige wissenschaftliche Mitarbeiter sagt: »Wenn ein Rabbiner in diesem hohen Alter einen so weiten Weg auf sich nimmt, dann werde ich als junger Mann doch diese kurze Strecke zurücklegen können.« Ob es sich für ihn gelohnt hat? »Auf jeden Fall, so etwas hat es in Deutschland wohl noch nie gegeben.«

Segen Vor der Bibliothek des Rabbinerseminars bildet sich eine lange Schlange. Der Gast erteilt noch einigen Schülern der Jeschiwa seinen Segen, die Bracha eines Zaddiks, eines »Gerechten«, wie es heißt. Am frühen Abend zieht sich Rabbiner Steinman mit seiner zehnköpfigen Begleitung zurück. Schon kurz nach 4 Uhr wird er am nächsten Morgen zum Gebet, dem Schacharit, erwartet.

Magdeburg

Mehr antisemitische Vorfälle in Sachsen-Anhalt

Direkt von Anfeindungen betroffen waren laut Rias 86 Personen und in 47 Fällen Einrichtungen

 14.05.2025

Gießen

Tora im Herbst?

Die Jüdische Gemeinde braucht dringend eine neue Rolle. Der Vorstand fand einen Sofer in Bnei Brak. Im Oktober soll sie fertig sein. Schirmherr der Spendenaktion wird Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier

von Helmut Kuhn  13.05.2025

Prozess

Verfahren um Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge beginnt

Der Angeklagte ist vermutlich psychisch schwer erkrankt und war zur Tatzeit unter Umständen schuldunfähig

 13.05.2025

Begegnung

Yotams Haus

Bei »Resilience Through Music« in Berlin erzählte Tuval Haim aus dem Leben seines Bruders, des Schlagzeugers Yotam, der am 7. Oktober 2023 aus Kfar Aza entführt wurde

von Katrin Richter  12.05.2025

Berlin

Margot Friedländer wird auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt

Das nichtöffentliche Begräbnis ist für Donnerstag geplant

 12.05.2025

Margot Friedländer

Holocaust-Überlebende war Stimme gegen das Vergessen

Gegen das Vergessen - Margot Friedländer überlebte das Grauen des Holocausts und hat dazu nie geschwiegen. Als eine der letzten Stimmen für die Erinnerung ist sie nun im Alter von 103 Jahren gestorben

von Leticia Witte  12.05.2025

Berlin

Kondolenzbuch für Margot Friedländer im Roten Rathaus

Die Holocaust-Überlebende wird nach ihrem Tod geehrt

 12.05.2025

Nachruf

Danke, liebe Frau Friedländer!

Die Schoa-Überlebende tanzte mit dem Regierenden Bürgermeister, sprach jungen Menschen Mut zu und war auf etlichen Terminen anzutreffen. Unsere Redakteurin lässt einige Begegnungen Revue passieren

von Christine Schmitt  11.05.2025

Umfrage

Zwischen Skepsis und Hoffnung

Wie erlebten Jüdinnen und Juden die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem vor 60 Jahren? Wir haben uns umgehört

von Christine Schmitt  11.05.2025