Gemeindetag

1200-mal Judentum

Matilda und Wladimir Bachmendo werden am Gemeindetag endlich einmal Schabbat als Gäste feiern können – nach 25 Jahren wieder. So lange sorgt das Ehepaar schon dafür, dass es in der Osnabrücker Gemeinde sauber, gemütlich und unterhaltsam zugeht. Matilda ist Kulturreferentin, beschreibt sich selbst aber als »Mädchen für alles«.

Wladimir arbeitet in der Gemeinde als Hausmeister. Beide möchten beim Gemeindetag des Zentralrats der Juden vom 8. bis 11. Dezember in Berlin von den Profis lernen. »Wir sind ja keine ausgebildeten Eventmanager, sondern lernen jeden Tag aufs Neue dazu«, sagt Matilda Bachmendo. Außerdem freuen sie sich darauf, alte Freunde wiederzusehen und das vielfältige Kulturangebot zu genießen.

Matilda und Wladimir sind zwei von insgesamt 1200 Teilnehmern des Gemeindetages. Passend zum Motto »One people, one community«, »ein Dach, eine Familie« werden Vertreter jeder religiösen Strömung des Judentums dabei sein, von liberal bis orthodox. Und damit sich auch alle Besucher gut aufgehoben fühlen, werden sowohl orthodoxe wie auch liberale Gottesdienste angeboten sowie orthodoxe und liberale Schiurim. »Die Hawdala werden dann aber wieder alle gemeinsam feiern«, sagt Jutta Wagemann, Pressesprecherin des Zentralrats.

Atmosphäre »Da ist wirklich für jeden etwas dabei«, findet Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Osnabrück und des Bundes traditioneller Juden. Er hat auch an den beiden vorherigen Gemeindetagen in den Jahren 2013 und 2012 teilgenommen. »Es sind immer schöne Tage in einer tollen jüdischen Atmosphäre«, erinnert sich der 61-Jährige. Er freut sich insbesondere darauf, alte Bekannte zu treffen, die man sonst selten sieht. Außerdem wird er an einer Diskussion zum Thema Giurim teilnehmen. Der wichtigste Aspekt sei aber, das jüdische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. »Wir gehören alle zur gleichen Gruppe, auch wenn jeder die Religion in seiner eigenen Fasson auslebt«, sagt er. »Das dürfen wir nicht vergessen.«

Dieses Gefühl der engen Zusammengehörigkeit vermisst Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, manchmal. Umso froher ist sie, dass auf dem Gemeindetag so viele Juden zusammenkommen. »Den heutigen Herausforderungen, dem wiederaufkommenden Nationalismus als auch dem extremen Islam, können wir uns nur gemeinsam entgegenstellen«, sagt die 57-Jährige. Denn das Judentum lebe immer auch vom Austausch untereinander. Deshalb möchte sie auch die Gelegenheit nutzen, um andere Personen zu treffen, die das jüdische Leben in Deutschland gestalten. Sie selbst wird beim Gemeindetag einen Vortrag zum Thema »Jüdische Gemeinden 4.0« halten. Darin möchte sie die Frage beantworten, wie sich die Gemeinden für die Zukunft rüsten können.

Senioren Bert Römgens aus Düsseldorf stellt sich in seiner Präsentation ebenfalls diese Frage. Der 50-Jährige leitet das jüdische Seniorenheim Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf. »Wie können wir die Strukturen in der Gemeinde an die älter werdende Klientel anpassen?« lautet der Titel seines Vortrags. Er erwartet vom Gemeindetag einen regen Austausch, vor allem über politische Themen wie das Israelbild in den Medien und das Problem des Rechtspopulismus.

»Ich finde es schön, auf der Party nicht nur mit Berlinern, sondern mit Juden aus ganz Deutschland feiern zu können«, sagt die 20-jährige Lea Gordin aus Berlin. Sie freut sich auch auf die vielen verschiedenen Workshops. »Insbesondere interessiert mich die Podiumsdiskussion über die Bekämpfung islamistischen Terrors, an der ein Sprecher der israelischen Armee teilnehmen wird«, sagt sie. Lea Gordin hat vor zwei Jahren Abitur gemacht und bewirbt sich derzeit an verschiedenen Musicalschulen. Sie bezeichnet sich als liberal, geht zwar nicht jede Woche in die Synagoge, wohl aber an wichtigen Feiertagen. Denn jüdische Traditionen seien ihr sehr wichtig.

Erfahrungsaustausch Für Juri Rosov, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Rostock, ist der Erfahrungs- und Meinungsaustausch das Schönste am Gemeindetag. »Die Veranstaltung gibt uns die Möglichkeit, uns mit anderen jüdischen Menschen aus ganz Deutschland zu vernetzen«, sagt der 56-Jährige. Er freut sich speziell auf die Vorführung von Britta Wauers Dokumentarfilm Rabbi Wolff – Ein Gentleman vor dem Herrn, in dem der Landesrabbiner Mecklenburg-Vorpommerns William Wolff in seinem Arbeitsalltag zwischen London, Schwerin und Rostock begleitet wird.

Darüber hinaus haben ihm schon beim letzten Gemeindetag 2013, der ebenfalls in Berlin stattfand, die zahlreichen Podiumsdiskussionen, wie etwa mit dem türkischen Botschafter und verschiedenen jüdischen Schriftstellern, sehr gut gefallen, sagt Juri Rosov.

Noch laufen die Vorbereitungen auch für die Eheleute Bachmendo. Bevor sie beim Gemeindetag auf die anderen Gäste treffen, haben sie noch einiges zu erledigen. »Wir müssen ja dafür sorgen, dass hier auch ohne uns alles funktioniert.«

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