Brauch

Von Pessach bis Schawuot

Omer: eine Garbe Weizen Foto: Flash 90

Vom Omer-Zählen ist an zwei Tora-Stellen die Rede. Im Wochenabschnitt Emor: »Und ihr zählt euch von dem Tag nach diesem Schabbat, von dem Tag eurer Darbringung des Omers der Wende; sieben volle Schabbatot sollen es sein; bis zum Tag nach dem siebten Schabbat zählt ihr 50 Tage; und bringt dann Gott eine neue Huldigungsgabe nahe« (3. Buch Mose 23, 15–16). Und im Wochenabschnitt Re’eh: »Sieben Wochen sollst du dir zählen, vom Anfang der Sichel am Getreide fängst du an zu zählen sieben Wochen. Und machst Schawuot dem Ewigen deinem Gott geweiht« (5. Buch Mose 16, 9–10).

Am zweiten Sederabend, der nur außerhalb Israels gefeiert wird, haben wir mit dem Omer-Zählen begonnen. Wie erfüllt man dieses Gebot? Stehend spricht jeder: »Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gebote geheiligt und uns das Omer-Zählen befohlen hat. Heute ist der erste Tag im Omer.«

TEMPEL Seit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels ist es nicht mehr möglich, am zweiten Tag des Pessachfestes einen Omer Gerste darzubringen. Die 49 Tage bis Schawuot zu zählen, ist hingegen Teil unserer religiösen Praxis geblieben. Allerdings besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rambam, Maimonides, und anderen halachischen Autoritäten, ob wir mit dem Omer-Zählen heute eine Mizwa der Tora erfüllen oder nur ein rabbinisches Gebot.

Sogar nach denjenigen Halachisten, die Sefirat Haomer in unserer Zeit für ein rabbinisches Gebot halten, sagt man im Segensspruch, dass der Ewige »uns das Omer-Zählen befohlen hat« – denn Gott hat uns befohlen, die Anweisungen der Weisen zu befolgen.

In den oben zitierten Versen erklärt die Tora nicht, warum Juden 49 Tage (sieben Wochen) zählen sollen. Die Gründe des göttlichen Gesetzgebers sind uns in diesem Fall wie auch bei vielen anderen Mizwot nicht bekannt. Jedoch ist es erlaubt und durchaus erwünscht, im Rahmen des Torastudiums die Frage zu behandeln, was uns die Tatsache lehrt, dass die Tora bestimme Handlungen vorschreibt. Der Verfasser des Sefer Hachinuch sowie auch einige andere Autoren haben die Meinung vertreten, dass die Tora durch das Gebot des Omer-Zählens auf den engen Sinnzusammenhang zwischen Pessach und Schawuot aufmerksam macht.

BERG SINAI Die wundersame Befreiung aus der Sklaverei, der Auszug aus Ägypten und die Übergabe der Tora am Berg Sinai sieben Wochen danach stehen nicht unverbunden nebeneinander; sie sind vielmehr als Stadien in einem Entwicklungsprozess zu begreifen.

Rabbiner Samson Raphael Hirsch bestimmt die Bedeutung von Sefirat Haomer wie folgt: »Um auszudrücken, festzuhalten und fürs Leben zu beherzigen: dass Pessach seine Vollendung nur in Schawuot finde, das heißt Freiheit und aller Segen, der in ihr liegt, nur erst Wert, Wirklichkeit und Bedeutung durch das Gesetz der Tora erhält; wie denn nur, um Diener der Tora zu werden, Israel aus dem Dienst Mizrajims befreit wurde« (Chorew 214).

Und in seinem Torakommentar (zu 5. Buch Mose 16,9) führt Rabbiner Hirsch aus: »Persönliche Freiheit ist nichtig ohne Gesetz, schlägt in unheilvolle Willkür um ohne Gesetz, die rechte Freiheit wohnt nur im Gesetz. Vor allem Israel hat die persönliche Freiheit nur für seine Dienstunterordnung unter das Gesetz bekommen, Gesetzesvolk ist seine einzige Bestimmung. Es gehört die ganze Mannesarbeit eines frei gewordenen Mannes an sich selber dazu, um nun auch die Fesseln und das Joch der Begierden und Leidenschaften, den Trotz des Eigensinns und des Eigenwillens zu brechen, die ihn zum Sklaven der Sinnlichkeit und der Gesetzeshöhnung machen.«

vorbereitungszeit Die Zeit von Sefirat Haomer ist als eine Vorbereitungszeit zu begreifen, in der Reflexion (Tikkun Hanefesch) auf der Tagesordnung steht. Um die spirituelle Aufgabe im Frühjahr besser erfüllen zu können, haben unsere Weisen den schönen Brauch eingeführt, in den sieben Wochen sowohl die »Sprüche der Väter« aus der Mischna als auch das biblische Buch Mischle besonders intensiv zu studieren (siehe Rabbiner Jakob Zwi Mecklenburg, »Haketav Vehakabbaka« zu 3. Buch Mose 23,11).

Ernst Daniel Goldschmidt schreibt: »Man pflegt das Zählen gewöhnlich beim Abendgottesdienst zu erledigen, jedoch legen am ersten Abend der Zählung viele Wert darauf, es erst in später Nacht zu tun, weil das Omer, von dessen Darbringen die Zählung den Namen hat, erst in der Nacht geerntet und zubereitet wurde.«

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025

Sarah Serebrinski

Sukkot: Freude trotz Verletzlichkeit

Viele Juden fragen sich: Ist es sicher, eine Sukka sichtbar im eigenen Vorgarten zu bauen? Doch genau darin – in der Unsicherheit – liegt die Botschaft von Sukkot

von Sarah Serebrinski  05.10.2025

7. Oktober

Ein Riss in der Schale

Wie Simchat Tora 2023 das Leben von Jüdinnen und Juden verändert hat

von Nicole Dreyfus  05.10.2025

Übergang

Alles zu jeder Zeit

Worauf es in den vier Tagen zwischen Jom Kippur und Sukkot ankommt

von Vyacheslav Dobrovych  03.10.2025

Kirche

EKD: Gaza-Krieg nicht zum Anlass für Ausgrenzung nehmen

Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs: »Offene und gewaltsame Formen des Antisemitismus, besonders in Gestalt israelbezogener Judenfeindschaft, treten deutlich zutage«

 03.10.2025

Ha’asinu

Mit innerer Harmonie

Nur wer sich selbst wertschätzt und seine Fähigkeiten kennt, kann wirklich wachsen

von Abraham Frenkel  03.10.2025