Wieso, weshalb, warum

Gewura

Gibor: einer, der Gewura hat – ein Held Foto: Thinkstock

Was ist Gewura? Auch einer der Lehrer der Mischna, Schimon ben Soma, stellte sich diese Frage (Pirkej Awot 4,1): »Wer ist ein Gibor?« Wer ist also jemand, der »Gewura« hat? Die Antwort gibt er dann selbst: »Der seinen Trieb bezwingt.«

Übersetzt ins Deutsche bedeutet das Wort »Gewura« so viel wie »Macht« oder »Stärke«. Aber aus der Antwort von Rabbi Schimon ben Soma geht etwas anderes hervor. Er bezieht es nicht auf die reine physische Kraft oder Macht.

Triebe Anscheinend ist ein Gibor jemand, der sich selbst, seine Leidenschaften und seine Kraft unter Kontrolle hat. Deshalb spricht Ben Soma auch ausdrücklich nicht davon, den Trieb vollständig zu zerstören. Der Talmud (Sanhedrin 64a) spricht davon, dass man sonst keinen Willen mehr hätte zu essen, zu trinken, zu heiraten oder ein Sexualleben zu haben. Die Gewura scheint darin zu bestehen, diesen schmalen Grat zu beschreiten und die Macht, die man hat, nicht vollends auszuspielen.

Wer noch ist ein Gibor? Im zweiten Segensspruch (Bracha) der Amida, des Achtzehnbittengebets, nennen wir G’tt einen Gibor: »Ata Gibor« – »Du bist Gibor«. Dann sagen wir: »... belebst die Toten in großem Erbarmen, stützt die Fallenden, heilst die Kranken, befreist die Gefangenen und hältst die Treue denen, die im Staube schlafen. Wer ist wie Du, Herr aller Mächte (Gewurot), und wer gleicht Dir, König, der Du tötest und belebst und Heil aufsprießen lässt.«

Der Text sagt uns, dass G’tt die Macht hat zu töten. Aber was tut er? Er nutzt seine Macht, um die Toten zu beleben, die Kranken zu heilen und Gefangene zu befreien. Das alles sind Aufgaben, die wir heute haben. Auch hier geht es also darum, die Macht so einzusetzen, dass sie nützlich ist und zu etwas Gutem verwendet wird.

Charakter Traditionell wird gesagt, dass Jizchak für die Charaktereigenschaft Gewura steht – etwa, weil er zunächst ein eher passiver Charakter ist. Nicht er zieht aus, um sich eine Frau zu suchen, sondern ein Diener wird ausgesendet. Später soll seine Frau an Awimelech gehen, die Philister haben ein Auge auf ihn geworfen, und er muss um seine Brunnen kämpfen. Aber das tut er nicht mit allen Mitteln, sondern in Maßen.

Gleiches gilt für das jüdische Leben. Viele Dinge sind erlaubt, ja gewünscht: gutes Essen, Sexualität. Aber sie sind in den Grenzen der Halacha erlaubt. Das Religionsgesetz hilft dem Menschen, sich zu beschränken: auf bestimmte erlaubte Tiere, was die Ernährung betrifft, und hinsichtlich der Sexualität regelt sie, wann man mit seinem Partner was tun darf. Oder wie es in den Awot DeRabbi Natan heißt: »Es gibt keine größeren Helden als die Helden der Tora« (1,23).

Gewura ist also die psychische Stärke, sich selbst zu beherrschen und, wenn es sein muss, sich zurückzunehmen. Ein anderes hebräisches Wort für Stärke wäre »Koach«. Doch Koach ist die Stärke, mit der man jemanden physisch besiegt. Es gibt Menschen, die über viel Koach und zugleich Gewura verfügen. Diese Kombination ist wohl der Idealfall.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025