Ekew

Danke sagen

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Im Wochenabschnitt Ekew lesen wir einen sehr bekannten Vers: »Und du wirst essen und satt werden, und du wirst Haschem, deinen G’tt, segnen« (5. Buch Mose 8,10).

Rabbiner Meir Simcha von Dvinsk (1843–1926) schreibt in seinem Werk Meschech Chochma, dass der Talmud versucht, aus unserem Vers ein Maximum halachischer Schlussfolgerungen zu ziehen. Als Erstes lernt man daraus, dass wir verpflichtet sind, nach der Mahlzeit, wenn wir gesättigt sind, Birkat Hamason zu rezitieren. Der Talmud lehrt weiter: Wenn wir verpflichtet sind, G’tt zu segnen, nachdem wir satt geworden sind, dann sollten wir Ihn umso mehr vor dem Essen segnen, solange wir noch hungrig sind.

Daraus resultiert, dass wir also auch, bevor wir essen, Segenssprüche rezitieren sollen. Und wenn wir Haschem für das segnen und danken sollen, was uns in dieser Welt erhält, führt der Talmud fort, dann sollten wir Ihn sicherlich auch für das Geschenk der Tora segnen, die uns für die ewige Welt nährt. Aus dieser Logik resultiert, dass wir also auch, bevor wir Tora lernen, Segenssprüche rezitieren sollen.

Die einzige nach der Tora verbindliche Bracha ist der Segen nach einer Mahlzeit

Die Gemara kommt allerdings zu dem Schluss, dass die einzige Bracha (Segen), die wir nach dem Gesetz der Tora als verbindlich betrachten können, eben der Segen nach einer Mahlzeit ist, das Birkat Hamason. Der Versuch des Talmud, dies auf Brachot vor dem Essen sowie Brachot vor und nach dem Toralernen zu übertragen, schlägt fehl.

Die Argumente dafür, auf dem Birkat Hamason aufbauend auch zu anderen Bra­chot zu verpflichten, sind stichhaltig – doch sie basieren auf der Annahme, dass die Tora möchte, dass wir Haschem unseren Dank entsprechend dem Nutzen ausdrücken, den wir erhalten. Die Argumente sind: Wir erkennen, wenn wir hungrig sind, eher an, uns durchs Essen gestärkter zu fühlen, als wenn wir bereits satt sind. Und wir können anerkennen, dass die kommende Welt wichtiger ist als diese Welt.

Das Gebet nach dem Essen soll darüber hinaus ein Korrektiv für die Tendenz des Menschen sein, sich weiter von G’tt zu entfernen, nachdem er satt geworden ist, anstatt sich Ihm zu nähern. Der Mensch wird selbstsicher, vertraut auf seine eigenen Kräfte, er wird, sobald seine Bedürfnisse gestillt sind, sogar arrogant und hochmütig. So heißt es in unserem Wochenabschnitt an etwas späterer Stelle: »Damit du nicht isst und satt wirst … und Haschem, deinen G’tt, vergisst« (5. Buch Mose 8, 12–14).

Der Segen nach der Mahlzeit bringt uns zurück in die Realität. Er erinnert uns daran, dass der Ewige es ist, der uns »die Kraft gab, Reichtum zu schaffen« (8,18). Diese Argumentation gilt nur, wenn eine Person körperlich gesättigt ist – nicht, wenn sie hungrig und in Not ist. Das Argument, dass die Tora uns vor dem Essen zu Brachot verpflichten muss, ist daher nichtig.

Man kann sich dem Studium der Tora leicht aus eigennützigen Gründen widmen

Das Gegenteil gilt für das Studium der Tora. Bevor man sich darin vertieft, kann man sich ihr leicht aus egoistischen und eigennützigen Gründen widmen, etwa um Ehre und Anerkennung zu erlangen. Man vergisst schnell, dass die Tora unser Lebensblut ist und dass Haschem uns durch sie mit g’ttlicher Weisheit beschenkt.

Wir brauchen, bevor wir mit dem Lernen der Tora beginnen, eine Erinnerung daran, mit dem, der uns die Tora gegeben hat, verbunden zu sein. Eine solche Notwendigkeit besteht nicht mehr, wenn wir mit dem Toralernen aufhören.

Die Tora erhebt uns, und sie ist erbaulich. Während des Lernens wird eine Person vor dem Einfluss des bösen Triebes geschützt. Die Tora kann, wie Maimonides, der Rambam (1138–1204), es ausdrückt, als eine Aufeinanderfolge g’ttlicher Namen betrachtet werden. Während wir uns an die Tora klammern, verbinden wir uns mit dem Namen des Ewigen. Die Neschama, die Seele eines jeden einzelnen Juden, hat ihren Ursprung in der Tora. Wenn Juden sich mit ihr verbinden, werden sie durch sie zu einer Einheit.

Mit anderen Worten: Die Nachwirkungen des Toralernens sind das genaue Gegenteil einer üppigen Mahlzeit. Ein Mensch kommt dadurch Haschem auf natürliche Weise näher, anstatt sich unbewusst von Ihm zu entfernen. Das ist auch eine der Bedeutungen der berühmten Talmudworte: »Mitoch schelo lischma, ba lischma« (Pessachim 50b). Dies bedeutet so viel wie: Selbst wenn man anfängt, die Tora aus eigennützigen oder unedlen Motiven zu lernen, wird man mit großer Wahrscheinlichkeit dazu kommen, sie um des Willens G’ttes zu studieren. Denn die Tora verbindet den Menschen mit dem Ewigen und verändert ihn zum Besseren.

Der Talmud zieht in Betracht, dass Priester das Birkat Hamason nicht sprechen müssen

Der Talmud (Arachin 4a) zieht die Möglichkeit in Betracht, dass Kohanim (Priester) das Birkat Hamason nicht sprechen müssen – zumindest nicht nach einer Mahlzeit mit Opfergaben im Tempel.

Warum aber sollten sie davon befreit sein? Wenn es beim Birkat Hamason darum geht, dass wir G’tt gegenüber unseren Dank dafür ausdrücken, dass wir nicht mehr hungrig sind, dann würde dies überhaupt keinen Sinn ergeben. Wenn unsere These jedoch stimmt, dann ist es durchaus vernünftig, anzunehmen, dass das Essen von Opfergaben ein Sonderfall ist. Anders als eine typische Mahlzeit sollte eine solche Mizwa-Mahlzeit, so würden wir meinen, das Ego eines Menschen nicht so sicher aufblasen, wie sie seinen Bauch füllt. Es bräuchte also keine Erinnerung, um den Menschen an seinen Platz zu verweisen.

Doch weit gefehlt! Die Schlussfolgerung der Gemara ist, dass selbst bei einer gehobenen Mizwa-Mahlzeit die körperlichen Empfindungen des Essens eine wichtige Rolle spielen und den Menschen straucheln lassen können. Daher muss auch ein Kohen nach dem Verzehr der heiligen Opfergaben das Birkat Hamason sprechen.

Wir sehen also: Das Gebet nach der Mahlzeit ist nicht nur ein Dank an den Ewigen für die Speise, sondern es hat noch eine viel tiefere Dimension – nämlich die Selbsterinnerung daran, dass wir, obwohl wir soeben satt geworden sind und uns kurzfristig wie der König der Welt fühlen, niemals den Ursprung aller Güte, nämlich den Allmächtigen, vergessen dürfen.

Der Autor ist Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz und Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

inhalt
Der Wochenabschnitt Paraschat Ekew zählt die Folgen des Gehorsams der Israeliten auf. Wenn sie sich an die Gesetze halten würden, dann blieben die Völker jenseits des Jordans friedlich, und es würde sich materieller Fortschritt einstellen. Die bisherigen Bewohner müssen das Land verlassen, weil sie Götzen gedient haben – nicht, weil das Volk Israel übermäßig rechtschaffen wäre. Am Ende der Parascha verspricht
Mosche, im Land Israel würden Milch und Honig fließen, wenn das Volk die Gebote beachtet und an die Kinder weitergibt.
5. Buch Mose 7,12 – 11,25

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