Haiti

»Wir haben Hunger«

Wasser ist knapp in Haiti – und wird dringend benötigt. Foto: imago

Die Erde grummelt und bebt noch immer in Haiti. Seit mehr als zwei Wochen entladen sich immer wieder tektonische Verwerfungen in der unterirdischen Grenzregion zwischen der Karibischen und der Nordamerikanischen Platte in harten Erdstößen. Immer wieder fliehen die Menschen in Panik aus den wenigen Häusern, die noch stehen und bewohnbar sind.

Zwei Wochen nach der Katastrophe wird die Situation trotz aller Hilfen schlimmer. Noch immer werden Hunderte Leichen aus den Trümmern geborgen. Und in manchen Vierteln haben die Aufräumarbeiten noch gar nicht begonnen. Ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sprechen inzwischen von mehr als 200.000 Toten, zumal aus ländlichen Regionen überhaupt keine Zahlen über die Opfer vorliegen und viele Leichen von den Familien direkt beigesetzt wurden.

Teilnahmslos Zwar sind inzwischen sowohl über eine Luftbrücke als auch über einen »humanitären Korridor« von der Dominikanischen Republik aus Zehntausende von Tonnen Hilfsgüter ins Land gekommen. Die Verteilung gestaltet sich jedoch schwierig, die rund 8.000 UN-Blauhelmsoldaten stehen oft teilnahmslos dabei, während junge kräftige Männer Frauen, Kinder und Schwächere aus den Reihen drängen und sich der Lebensmittelpakete mit Reis, Öl, Bohnen, Salz bemächtigen.

Mangel an Lebensmitteln herrscht in Haiti nicht. Rund um das historische Zentrum von Port-au-Prince pulsiert inzwischen das Marktleben wie eh und je. Fliegende Händler bieten auf der Rue Delmas wieder Kohle und Körperpflegemittel an, als ob nichts gewesen wäre. In Pétionville, knapp zehn Kilometer oberhalb der haitianischen Hauptstadt, ist Marktstimmung wie vor 14 Tagen als in Haiti die Erde noch nicht gebebt hatte. Marchants preisen lauthals Porreestangen und Karotten an – auch Fleisch gibt es. Junge Männer verkaufen »dlo, dlo« rufend Wasser. Nur hat sich der Preis für Wasser in nur wenigen Tagen vervierfacht. Die Preise für fast alle Lebensmittel haben sich verdoppelt. »Aber viele haben keine Geld«, bedauert eine Händlerin, die Spaghetti, Tomatenmark und Öl verkauft.

Lange Schlangen Mit Transparenten, auf denen »Wir haben Hunger!« oder »Wir brauchen Hilfe!« steht, versuchen Menschen rechts und links der Verbindungsstraßen zwischen Port-au-Prince und Pétionville auf ihre Not aufmerksam zu machen. Das Rote Kreuz spricht von etwa drei Millionen Betroffenen. Sie haben oft nur das nackte Leben retten können. Lange Schlangen bilden sich jeden Tag vor allen offenen Filialen der Western-Union-Bank, über die die im Ausland lebenden Haitianer jetzt Geld an ihre Familienangehörigen schicken.

Gilbert Bigio war in Florida, als die Erde bebte. Bigio, der in der sehr kleinen jüdischen Community Haitis aktiv ist, gehört zu den reichen Haitianern. Auf Grundstücken, die ihm gehören, hat die Zahal ihre Feldkrankenhäuser errichtet. Die israelischen Militärs sind froh, diesen Kontakt zu haben. »Es ist der Schlüssel für unseren Erfolg«, sagte Amos Radian, der als Botschafter Israel sowohl in Haiti als auch in der Dominikanischen Republik vertritt, der jüdisch-amerikanischen Zeitung »Forward«.

Während der Übergangschef der UN-Mission, Edmond Mulet, dessen Vorgänger Hédi Annabi beim Beben starb, eine Verstärkung des Hilfseinsatzes und der Blauhelmsoldaten fordert, fliegen die USA immer neue Truppen ins Land, die sich vornehmlich um ihren eigenen Schutz kümmern.

Derweil werden im großen Maßstab die Bewohner der betroffenen Regionen evakuiert, um zu verhindern, dass bei Nachbeben erneut Gebäude einstürzen und Menschen sterben. Denn die Erde grummelt bedrohlich weiter

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert