Gegner der Corona-Maßnahmen

Thüringer Innenminister sieht Radikalisierung der Szene

Thürnigens Innenminister Georg Maier (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2019 Foto: imago images/Karina Hessland

Im Zusammenhang mit dem Fackelaufmarsch mutmaßlich rechtsextremer Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen in Grimma sieht der thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) klare Hinweise für eine Radikalisierung der Szene.

Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte Maier am Sonntag in Erfurt, in den vergangenen Tagen hätten die Sicherheitsbehörden festgestellt, dass in Messenger-Diensten wie Telegram Aufrufe zugenommen hätten, die Privatadressen von Politikern öffentlich zu machen. Verbunden sei dies mit dem Aufruf, »für die solle es jetzt ungemütlich werden«.

SCHUTZ VERSTÄRKT Nach Einschätzung Maiers handelt es sich dabei um »verklausulierte Aufrufe zur Gewalt«. »Wir nehmen das in Thüringen sehr ernst«, betonte er. So sei der Schutz von Politikern in hoher Verantwortung in den vergangenen Tagen verstärkt worden, um solchen Ereignissen wie in Sachsen vorzubeugen.

Im sächsischen Grimma, südöstlich von Leipzig, waren am Freitagabend rund 30 Personen mit Fackeln vor das Haus von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) gezogen. Bei Eintreffen der Polizei flüchteten die Teilnehmer. Der Vorfall löste parteiübergreifend Empörung aus.

Auch die Demonstrationen vom Wochenende in Thüringen, wo am Samstag in Greiz 1.500 und in Eisenach 500 Menschen zusammenkamen, erfüllten ihn mit Sorge, sagte der thüringische Innenminister weiter.

DIMENSION Natürlich dürfe jeder seinen Protest kundtun. Vor dem Hintergrund der Pandemiesituation seien mehr als 2000 Teilnehmer »allerdings schon ein Problem«. Erlaubt sind laut Eindämmungsverordnung in Thüringen derzeit Versammlungen von maximal 35 Teilnehmenden, Aufzüge sind nicht gestattet. »Mich erfüllt mit Sorge, dass diese Demonstrationen schon diese Dimension angenommen haben«, sagte Maier.

Hinzu komme, dass die Demonstrationen in Greiz und Eisenach nachweislich von Rechtsextremisten mit initiiert worden seien, in Eisenach von der NPD, in Greiz von anderen Neonazi-Strukturen. »Die Teilnehmer wissen, dass sie sich gemeinsam mit Rechtsextremisten und Neonazis auf der Straße bewegen«, schätzte der SPD-Politiker ein.

»Der Rechtsstaat darf sich hier nicht die Blöße geben und das einfach geschehen lassen«, sagte Maier. Allerdings dürfe die Polizei auch bei rechtswidrigem Verhalten der Teilnehmer nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln reagieren. Maier kündigte an, dass etwa verstärkt Bußgelder gegen Teilnehmende verhängt werden sollen. Auch werde die Polizei gezielt in zentralen Städten des Protestes Räume für Demonstrationen blockieren, kündigte der Minister an.

Auch nach Einschätzung des Terrorismusforschers Peter R. Neumann haben sich Corona-Leugner und sogenannte Querdenker in den vergangenen Monaten zunehmend radikalisiert. »Es wird verstärkt ein ›Widerstandsrecht‹ ausgerufen«, sagte er der »Bild«-Zeitung (Montag). Vor einem Jahr sei diese Entwicklung noch nicht in diesem Ausmaß vorhanden gewesen.

IMPFPFLICHT Die angekündigte Impfpflicht gegen das Coronavirus könnte für die betreffende Gruppe ein »Signal« sein, fügte der Professor vom Londoner King’s College hinzu. »Seit anderthalb Jahren wird darüber diskutiert und jetzt soll sie kommen - das wird in Teilen der Szene etwas auslösen.« Er rechne nicht mit dem Entstehen einer »straffen Organisation, sondern es werden wohl eher Einzeltäter aus der Masse der Querdenker zur Tat schreiten wollen«.

Dies liege auch daran, dass die Szene sehr heterogen sei, erklärte Neumann: »Sie ist nicht geschlossen rechtsextrem.« Im Gegenteil seien dort viele Menschen aktiv, die sich vorher noch nie politisch betätigt hätten. Ähnlich schätzen dies laut der Zeitung auch Verfassungsschützer ein: Ihnen zufolge liegt der Anteil organisierter Rechtsextremer auf Querdenker-Demonstrationen in den meisten Bundesländern bei zehn bis 15 Prozent. In Sachsen seien Rechtsextreme dagegen »zahlenmäßig deutlich stärker vertreten und auch tonangebend«, wie es hieß. epd/kna

Jubiläum

Stimme der Demokratie

Vor 75 Jahren wurde der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet. Heute hat das Gremium vielfältige Aufgaben und ist unverzichtbarer Teil dieses Landes

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Meinung

Sánchez missbraucht ein Radrennen für seine Israelpolitik

Dass Spaniens Regierungschef die Störer der Vuelta lobte, ist demokratieschwächend und gehört zu seinem Kalkül, Israel weltweit zu isolieren

von Nicole Dreyfus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

Zentralrat

Schuster: Zwei-Staaten-Lösung nach Friedensverhandlungen mit Israel

Ein jeweils selbstständiger Staat Israel und Palästina - dafür spricht sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland aus. Unter bestimmten Voraussetzungen

von Leticia Witte  17.09.2025

Köln

Antisemitische Ausschreitungen bei Kreisliga-Spiel

Spieler des Vereins Makkabi wurden offenbar beschimpft, bespuckt und körperlich attackiert

 17.09.2025

Antisemitismus

Berliner Treitschkestraße wird am 1. Oktober umbenannt

Der Straßenname erinnert künftig an die im KZ Theresienstadt gestorbene ehemalige Direktorin des früheren jüdischen Blindenheims von Steglitz, Betty Katz (1872-1944)

 17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025

Berlin

Ahmetovic: Berlin muss Weg für Israel-Sanktionen freimachen

Der SPD-Politiker fordert, dass die schwarz-rote Koalition ihre »Blockadehaltung« beendet und die Vorschläge von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für konkrete Maßnahmen gegen den jüdischen Staat unterstützt

 17.09.2025