Auschwitz-Prozess

Strafanzeige gestellt

Zu Beginn des Prozesses gegen einen ehemaligen SS-Sanitäter im Landgericht Neubrandenburg. Foto: dpa

Gegen den Vorsitzenden Richter der 60. Schwurgerichtskammer am Landgericht Neubrandenburg, K., und seine Kollegen, Richterin B. und Richter E., prüft die Staatsanwaltschaft Stralsund derzeit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Rechtsbeugung. Ein ungewöhnlicher Fall in der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit.

Den Kammermitgliedern drohen Strafen zwischen einem Jahr und fünf Jahren, sollte es zu einem Prozess und einem Urteil kommen. Sie sollen in einem der vermutlich letzten Auschwitz-Verfahren gegen den ehemaligen SS-Rottenführer Hubert Zafke zwei Vertreter der Nebenklage systematisch an ihren Beteiligungsrechten im Verfahren gehindert haben.

Zafke wird in diesem Verfahren beschuldigt, als Sanitäter 1944 im Vernichtungslager Auschwitz an der Ermordung von 3681 KZ-Gefangenen beteiligt gewesen zu sein.

blockade Die Rechtsanwälte Thomas Walther und Cornelius Nestler vertreten in dem Verfahren die Brüder Walter und William Plywaski, die heute in den USA leben und in Neubrandenburg als Nebenkläger auftreten. Ihre Mutter wurde im fraglichen Zeitraum in Auschwitz ermordet.

Bis es zu dem Zafke-Verfahren kommen konnte, hatte die Strafkammer eine Anklage wegen des Gesundheitszustandes des 96 Jahre alten Beschuldigten abgelehnt. Erst ein Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger, eine Hauptverhandlung zu beginnen. Dass ein Gutachter dem Angeklagten bescheinigte, zeitlich begrenzt verhandlungsfähig zu sein, schien die Richter nicht zu interessieren. Wegen des Streits um die Verhandlungsfähigkeit des ehemaligen SS-Mannes platzte der Prozess im Herbst des Vorjahres.

Außerdem verweigerte das Gericht den Plywaski-Brüder bereits im Februar 2016 das Recht auf Nebenklage. Erst das übergeordnete Gericht in Rostock setzte das Recht der Brüder durch.

Als es um die Neuterminierung des seit zwei Jahren anhängigen Verfahrens ging, schlossen die Richter im Februar 2017 erneut Thomas Walther und Cornelius Nestler als Vertreter der Nebenklage aus.

Eine Reise zu dem inzwischen hoch betagten, erkrankten und schwerhörigen Nebenkläger Walter Plywaski wurde Rechtsanwalt Thomas Walther verweigert. Man empfahl ihm, mit seinem Mandanten doch über Skype zu kommunizieren. Auch diese Entscheidung musste vom übergeordneten Richterkollegium am Oberlandesgericht Rostock kassiert werden.

Thomas Walther, ein ehemaliger Richter und Staatsanwalt bei der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, und der Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler stellten Strafanzeige, weil »die Kammer auch vor der Beugung des Rechts« nicht zurückschrecke.

Stellungnahme In dieser Rechtsauffassung sehen sich Thomas Walther und Cornelius Nestler auch durch die Staatsanwaltschaft und das zuständige Oberlandes-
gericht Rostock bestätigt. Die Generalstaatsanwaltschaft schrieb am 28. Februar 2017 in einer Stellungnahme zum Nebenklagestreit, dass »die Schwurgerichtskammer sich über den Senatsbeschluss« – gemeint ist der Beschluss der Rostocker Richter vom 23. Februar 2016 – hinwegsetze, was »nur schwer erträglich ist«. Weiter heißt es in dem Schreiben, »die Hartnäckigkeit, mit der die Kammer berechtigte Belange der Nebenkläger negiert, zeigt, dass sie nicht bereit ist, (…) in richterlicher Unbefangenheit zu verhandeln und zu entscheiden«.

Der ehemalige SS-Mann Hubert Zafke, einer der wenigen noch lebenden Teilnehmer am Massenmord, ist nach wie vor verhandlungsfähig, wenngleich dies eingeschränkt ist und er gesundheitlich ange- schlagen im Rollstuhl sitzt. Jetzt liegt es an den Richtern, dass das Verfahren stockt. Die drei Berufsrichter am Landgericht Neubrandenburg sollen sich, so hört man in neubrandenburgischen Justizkreisen, krankgemeldet haben.

Hanau

Hakenkreuze aus Menschenblut auf Autos geschmiert

Schauerlicher Entdeckung im Hanauer Stadtteil Lamboy: Das Nazi-Symbol wurde auf Autos, Briefkästen und Hauswänden entdeckt. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Hinweise

 06.11.2025

Fördergeld-Affäre

Ex-Kultursenator Joe Chialo droht Untersuchungsausschuss

Der Berliner CDU-Politiker soll auf Druck von Parteikollegen mehrere Millionen Euro für Projekte gegen Antisemitismus vergeben haben, ohne rechtliche Vorgaben einzuhalten

 06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 05.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Thüringen

Universität Jena berät über Umgang mit israelischen Partnern

Jenaer Professoren wollen die Kooperationen ihrer Hochschule mit israelischen Partnern prüfen lassen, die Verbindungen zur israelischen Armee haben könnten. Das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender mahnt, Wissenschaft dürfe kein Ort für Ausgrenzung werden

von Matthias Thüsing  05.11.2025

Prozesse

Berliner Verwaltungsgericht verhandelt Waffenlieferungen an Israel

Zwei unterschiedliche Klagen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Israel beschäftigen am 12. November das Berliner Verwaltungsgericht. Unter anderem geht es um mehrere Tausend Panzerabwehrwaffen

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Ein Gemälde an der bekannten East Side Gallery ist Ziel einer antisemitischen Schmiererei geworden. Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025

Islamismus

Dobrindt: Muslim Interaktiv spaltet die Gesellschaft

Der Innenminister hat die Organisation, die sich gezielt an junge Menschen richtet, verboten. Jetzt erklärt er warum

 05.11.2025

Ostdeutschland

Zentralrat warnt vor AfD-Regierung: »Echte Gefahr für jüdisches Leben«

Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden sieht in den hohen Umfragewerten der AfD zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen »Weckruf«

von Joshua Schultheis  05.11.2025