Frankreich

Steinmeier gedenkt in Oradour-sur-Glane der Opfer des SS-Massakers

Oradour-sur-Glane nach dem Massaker der Nazis, 1944 Foto: picture alliance/United Archives

643 ermordete Kinder, Frauen und Männer – SS-Angehörige haben am 10. Juni 1944 im französischen Oradour-sur-Glane das größte Kriegsverbrechen Nazi-Deutschlands in Westeuropa verübt.

Zum 80. Jahrestag des Massakers werden Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Montag hier gemeinsam der Opfer gedenken und zugleich den Blick nach vorne richten. Die bayerische Kleinstadt Hersbruck will bei dieser Gelegenheit einen Freundschaftspakt mit Oradour-sur-Glane schließen.

Soldaten der SS-Division »Das Reich« löschten nur wenige Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie den ganzen Ort im Westen Frankreichs aus. Die Männer wurden in Scheunen getrieben und erschossen, Frauen und Kinder in der Dorfkirche eingeschlossen. Sie starben durch giftigen Phosphorrauch, Kugeln und Handgranaten oder verbrannten.

Wenige Überlebende

Nur wenige Menschen überlebten das Massaker, das die SS als Vergeltungsaktion für Angriffe des stärker werdenden französischen Widerstands gegen die deutschen Besatzer ausgab.

Für Karin Eideloth war es »in erster Linie ein Schock«, als sie erfuhr, dass ihr Großvater Adolf Heinrich einer der etwa 150 SS-Männer war, die in Oradour-sur-Glane wüteten. Seitdem setzt sie sich damit auseinander, steht seit einiger Zeit in Kontakt mit Agathe Hébras, der Enkelin eines der Überlebenden.

Steinmeier lud Eideloth ein, ihn nach Frankreich zu begleiten. Hébras erhielt eine Einladung von Macron. Beide Frauen trafen sich bereits im vergangenen April in Oradour-sur-Glane und werden sich jetzt wiedersehen.

»Fassungslosigkeit und Wut«

Dass ihr Großvater einer der Täter war, erfuhr Eideloth durch die Regisseurin Karen Breece, die die Hintergründe des grausamen Geschehens für ihr Theaterprojekt Oradour recherchiert hatte. Demnach legte der Großvater 1953 nach dem Militärtribunal von Bordeaux, das zu diesem Kriegsverbrechen stattfand, gegenüber amerikanischen Stellen ein Geständnis ab.

Bis dahin sei die Familie davon ausgegangen, dass er gegen Ende des Krieges in Ungarn im Einsatz gewesen sei, erzählt die Enkelin. Heute weiß sie: »Er war sowohl an der Erschießung der Männer in den Scheunen als auch an der Verbrennung der Frauen und Kinder in der Kirche beteiligt.«

Eine »Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut« habe dies bei ihr ausgelöst. Bis heute erfasse sie ein Entsetzen, wenn sie daran denke. Seitdem versteht sie, dass die Bandbreite des Menschseins sehr groß ist. »Dazu gehören eben auch Abgründe.«

»Unendlich dankbar«

Fast fünf Jahre brauchte Eideloth, bis sie das erste Mal nach Oradour-sur-Glane fuhr. »Es war ganz furchtbar, die Bilder werden dadurch so lebendig«, erinnert sie sich an ihre Reise im Jahr 2022. »Man hat sich vorher so viel angelesen - und dann plötzlich steht man da.«

Geholfen hat ihr, der Nachfahrin eines Täters, wie freundlich, offen und wohlwollend sie von den Nachfahren der Opfer empfangen wurde. »Ich habe da eine ganz große Herzlichkeit erfahren.« Dafür sei sie den Menschen dort »unendlich dankbar«.

»Beste Prophylaxe«

Ähnlich ging es Joachim Gauck, der 2013 während eines Staatsbesuchs in Frankreich als erster Bundespräsident nach Oradour-sur-Glane kam. »Ihre Einladung an den deutschen Präsidenten ist eine Geste des Willkommens, des guten Willens, eine Geste der Versöhnung, eine Geste, die man nicht erbitten kann, die man nur geschenkt bekommen kann. Und ich bin dankbar für dieses Geschenk«, sagte Gauck damals.

Der Prozess des Verarbeitens dieses dunklen Teils ihrer Familiengeschichte ist für Karin Eideloth noch nicht abgeschlossen. Für sie steht aber fest: »Es ist wichtig, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es ist die beste Prophylaxe, dass es nicht wieder passiert.«

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025

Köln

Trotz Kritik: Sophie von der Tann erhält Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis

»Keine Auszeichnung für Propaganda und Antisemitismus« steht während der Preisvergabe auf einem Transparent, das Demonstranten vor dem WDR-Funkhaus tragen

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Karlsruhe/München

Mutmaßlicher Huthi-Terrorist angeklagt

Ein Mann soll für die Terrororganisation im Jemen gekämpft haben. Deutschlands oberste Anklagebehörde will ihn vor Gericht sehen

 04.12.2025