Interview

»Skandalös und verletzend«

Herr Chanoch, der Bundestag hat jüngst eine rückwirkende Auszahlung von Renten der sogenannten Ghettoarbeiter abgelehnt. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
Um ganz ehrlich zu sein: Dieser Schritt der deutschen Politik ist skandalös, beschämend und zutiefst demütigend. Die Ghettoarbeiter wurden damals von den Deutschen dazu gezwungen, für das NS-Regime zu schuften. Hätten sie es nicht getan, wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit wenig später ermordet worden. So hatten sie wenigstens ein bisschen bessere Überlebenschancen. Dass der Bundestag sie nun um ihr Geld bringt, ist grausam.

Wie reagieren die Schoa-Überlebenden auf den Beschluss?
Die Weigerung der deutschen Politik ruft bei vielen längst überwunden geglaubte Vorstellungen über Deutschland wach. Sie können es nicht glauben und fühlen sich ungerecht behandelt. Ihr Ärger und ihre Enttäuschung sind riesig. Bei mir selbst übrigens auch: Ich habe ab 1941 im Ghetto von Kaunas in den Werkstätten gearbeitet. Mich hat diese Entscheidung sehr verletzt.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Eine rasche und unbürokratische Korrektur des Beschlusses. Wir haben damals als Arbeiter sogar Sozialabgaben abgeführt. Uns steht die Nachzahlung der Rente zu – nicht mehr und nicht weniger. Stattdessen wird anscheinend auf Zeit gespielt. Wir übrig gebliebenen 20.000 ehemaligen Ghettoarbeiter werden von Tag zu Tag weniger. Sollte es in Deutschland den politischen Willen zu Rückzahlungen geben, rate ich zur Eile.

In Israel leben insgesamt rund 190.000 Schoa-Überlebende. Wie ist deren wirtschaftliche Situation einzuschätzen?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Manchen geht es gut, manchen schlecht und andere wiederum sind irgendwo dazwischen zu verorten. Für jene, die auf Hilfe angewiesen sind, versuchen der Staat und private Organisationen, so gut es eben geht da zu sein. Die Entscheidung des neues Finanzministers Yair Lapid, 50 Millionen Schekel für die Schoa-Überlebenden freizugeben, ist ein Beispiel von vielen.

Dennoch sind laut einer neuen Umfrage zwei Drittel der Überlebenden enttäuscht von der Regierung in Jerusalem.
Ja, die Lebenssituation der Schoa-Überlebenden in Israel könnte besser sein. Jeder vierte von ihnen lebt unterhalb der Armutsgrenze. Ich kann verstehen, dass sie angesichts dessen unzufrieden sind. Man muss aber auch sehen, dass ihr Lebensunterhalt und ihre medizinische Versorgung durch den Staat garantiert sind. Nach meinem Empfinden führen die Überlebenden in Israel ein würdiges Leben. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass der Staat versucht, seine Hausaufgaben so gut es eben geht zu machen. Damit es noch besser wird, muss jetzt endlich auch die deutsche Bundesregierung tätig werden.

Mit dem Vertreter des Center of Organizations of Holocaust Survivors in Israel sprach Philipp Peyman Engel.

Premiere

»Übergriffe gegen uns sind mittlerweile Alltag«

Anfeindungen, Behinderungen, Drohungen und Übergriffe: Ein neuer Film dokumentiert die Pressefeindlichkeit bei vielen Pro-Palästina-Demonstrationen in Berlin. Die Journalisten-Union warnt vor den Folgen für die Pressefreiheit hierzulande

von Markus Geiler  28.10.2025

Stellungnahme

Das sagt das ZDF zur Kritik aus der Union

Der getötete Angestellte der Produktionsfirma Palestine Media Production sei kein ZDF-Mitarbeiter gewesen. Zuvor wurde bekannt, dass er Hamas-Mitglied war

 28.10.2025

Nordwesten

Jüdisches Museum für Hamburg?

Kultursenator Carsten Brosda (SPD) will Lücke in der zweitgrößten deutschen Stadt schließen

 28.10.2025

Faktencheck

Marcel Reich-Ranicki sprach nie von »Schuldkult als Dauerimpfung«

Wie der gestorbene Literaturkritiker für aktuelle Polit-Debatten auf Social Media genutzt wird – und wie seine echten Aussagen aus Lebzeiten tatsächlich klingen

 28.10.2025

New Yorker Bürgermeisterwahlen

Zohran Mamdanis Vorsprung schrumpft

Viele Wähler unterstützen den früheren Gouverneur Andrew Cuomo nicht, weil sie ihn lieben, sondern da sie einen Sieg des Israelhassers Mamdani verhindern wollen. Wird dies klappen?

 28.10.2025

Berlin

Union: ZDF muss über Hamas-Mitglied bei Produktionsfirma aufklären

Politiker von CDU und CSU, darunter Ottilie Klein, kritisieren das ZDF scharf, nachdem bekannt wurde, dass ein vom Sender beschäftigter Mann in Gaza Mitglied der Terrorgruppe war

 28.10.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer wie der Imam den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025