Interview

»Signal und Warnung«

Inge Deutschkron Foto: Marco Limberg

Frau Deutschkron, das Simon Wiesenthal Center ruft mit einer großen Plakatkampagne zur Fahndung nach NS-Verbrechern auf. Was halten Sie von der Aktion?
Ich begrüße diese Initiative, sie ist richtig und wichtig. Sie zeigt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit niemals verjähren dürfen. Die über 2000 Plakate in ganz Deutschland sind ein Signal und eine Warnung an all jene, die die Menschlichkeit mit Füßen getreten haben. Damit meine ich ausdrücklich sowohl die Nazi-Täter als auch die deutschen Politiker der Nachkriegszeit, die alles taten, um die Verbrechen nicht allzu bekannt werden zu lassen.

Neben viel Zustimmung gibt es an der Aktion auch massive Kritik. Sie sei pietät- und würdelos, heißt es.
Verzeihung, aber das ist Unfug sondergleichen. Was ist daran würdelos, Mörder für ihre Taten bestrafen zu wollen? Diese Leute gehören aufgespürt, angeklagt und weggesperrt – auch wenn der Täter bereits nach dem ersten Prozesstag verstirbt. Pietätlos ist es, dass 68 Jahre nach der Schoa viele von diesen alten Nazi-Schweinebacken immer noch frei herumlaufen. Was für eine Schande für Deutschland! Woran ich mich bei der Kampagne hingegen störe, ist das Motto.

Weshalb?
Auf den Plakaten steht: »Spät, aber nicht zu spät«. Das ist Quatsch. Es wäre natürlich viel zu spät, wenn es jetzt klappen würde, die letzten NS-Täter zu verhaften. Dafür indes kann das Wiesenthal Center nichts. Das hat die Bundesrepublik zu verantworten. Bis vor Kurzem noch wurden die Gräueltaten und ihre Urheber systematisch verdrängt und verschwiegen.

Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Fahndung Mitleid mit den Tätern erregen könnte. Können Sie diesen Einwand nachvollziehen?
Absolut nicht. Wer Mitleid mit durch und durch bösen Menschen wie den Nazi-Mördern hat, bei dem ist schon lange nichts mehr zu retten. Übrigens hat die Fahndung auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wie ich in den vergangenen Tagen oft gelesen habe. Die Poster gehören zu den wenigen Möglichkeiten, die nichtstaatliche Organisationen dem jahrzehntelangen Versäumen der deutschen Justiz und Politik entgegensetzen können.

Glauben Sie, dass die Aktion zur Ergreifung von NS-Tätern führen wird?
Selbstverständlich nicht. Durch die Fahndung wird vermutlich nicht ein einziger Mörder geschnappt. Etwas zu tun, ist trotzdem zumindest weniger schlecht, als untätig zu sein. Was wäre auch die Alternative: Etwa die ganzen alten Nazis, die unsere Leute ermordet haben, weiterhin in Ruhe lassen?

Sie haben die Schoa nur knapp überlebt. Wie gehen Sie damit um, dass so viele Nazis bis heute nicht bestraft wurden?
Schwer zu sagen. Eigentlich müsste man jeden Tag vor Trauer und Wut permanent schreien. Verzweiflung ist für mich jedoch keine Option. Also macht man, trotz allem, weiter mit dem, was man eben so macht.

Mit der Berliner Journalistin und Autorin sprach Philipp Peyman Engel.

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

München

Bayern gibt NS-Raubkunst an Erben von Ernst Magnus zurück

Nach Jahrzehnten geht ein Renaissance-Gemälde an die Erben des jüdischen Bankiers. Warum die Entscheidung erst jetzt fiel und was das Bild mit NS-Verbrecher Hermann Göring zu tun hat

 12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Niedersachsen

Moscheen in Hannover mit »Israel«-Schriftzügen besprüht

Unbekannte haben »Israel«-Schriftzüge auf mehrere Moscheen in Hannover geschmiert. Niedersachsens Antisemitismus-Beauftragter und die jüdische Gemeinde reagieren entsetzt

 11.12.2025

Berlin

Erstmals Chanukka-Feier im Bundestag

Zur Feier werden unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein und Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann erwartet

 11.12.2025

Block-Prozess

Mutmaßlicher Entführer-Chef: Aussage gegen sicheres Geleit

Hat Christina Block den Auftrag erteilt, ihre Kinder aus Dänemark zu entführen? Der mutmaßliche Chef der Entführer äußert sich dazu als Zeuge vor Gericht

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von Janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025