Debatte

Schließen sich Extremismus und psychische Vorbelastungen gegenseitig aus?

Peter Neumann Foto: imago/Müller-Stauffenberg

Debatte

Schließen sich Extremismus und psychische Vorbelastungen gegenseitig aus?

Terrorismusforscher Peter Neumann hat zu dieser Frage einen klaren Standpunkt

von Stefan Heinemeyer  27.06.2021 11:58 Uhr

Der Terrorismusforscher Peter Neumann vom King’s College London warnt nach der Messerattacke in Würzburg mit drei Toten vor einer vorschnellen Bewertung des Motivs. Noch unbeantwortet sei die Frage, wie schwer die psychischen Probleme des Angreifers gewesen seien, und die genaue Diagnose dazu, schrieb Neumann am Samstag auf Twitter.

Genauso wichtig sei, wie intensiv und wie lange der aus Somalia stammende Mann sich mit dschihadistischen Inhalten beschäftigt habe, ob er mit anderen hierüber gesprochen habe und in jüngster Zeit ein gesteigertes Interesse daran gehabt habe. »Ob der Attentäter von Würzburg ein «Dschihadist» war, ergibt sich aus den Antworten auf die zwei oben genannten Fragenkomplexe. Kurzum: Wir müssen uns gedulden, denn aufgrund bisheriger Informationen lässt sich die Frage (noch) nicht abschließend beantworten«, betonte Neumann.

Nach seiner Einschätzung sind Einzeltäter »mittlerweile der dominante Modus Operandi bei extremistisch motivierten Gewalttaten in ganz Europa«. Das gelte sowohl für Islamisten wie auch für Rechtsextremisten. Gut daran sei, dass Einzeltäter meist weniger raffiniert vorgingen und deshalb weniger Menschen töteten. Schlecht sei, dass sie für die Sicherheitsbehörden schwerer zu erkennen seien, da sie weniger deutlich in operative Netzwerke eingebunden seien.

Laut Neumann sind Einzeltäter für psychische Probleme anfällig, unabhängig von der Ideologie. Die »Vermischung« mit psychischen Anfälligkeiten mache die Beurteilung solcher Taten schwieriger.

Die entscheidende Frage sei, ob der Täter bei der Ausführung und/oder Vorbereitung der Tat zurechnungsfähig gewesen sei. Das sei bei Psychosen oder sehr schweren Persönlichkeitsstörungen nicht der Fall. »Doch bei leichteren Persönlichkeitsstörungen schließen sich Extremismus und psychische Vorbelastung nicht gegenseitig aus«, so Neumann. »Mehr noch: Sie können sich ergänzen - eventuell sogar verstärken.«

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025

Washington D.C.

USA verhängen Einreisestopp für Inhaber palästinensischer Dokumente

Zur Begründung heißt es, in den palästinensischen Gebieten seien mehrere von den USA als Terrororganisationen eingestufte Gruppen aktiv, die auch US-Bürger getötet hätten

 17.12.2025

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025