Ihr letzter Auftritt in Berlin liegt noch keine sieben Monate zurück. Jetzt will Francesca Albanese wieder in der Hauptstadt auftreten. Diese Mal soll das Event mit der »Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete«, so der vollständige Titel der italienischen Juristin, in den Räumlichkeiten der Freien Universität (FU) Berlin stattfinden.
Die European Society of International Law (ESIL) will im Rahmen ihrer Jahrestagung am Mittwoch einen Workshop mit Albanese abhalten mit dem Titel »Forensische und gegenforensische Ansätze zur Rekonstruktion des Völkerrechts – Kartografie und Anatomie des Völkermords«.
Konkret geht es um Israels Vorgehen gegen die Hamas in Gaza, das Albanese bereits seit mehr als einem Jahr lautstark als »Genozid« brandmarkt. Der an der FU geplante Workshop soll laut ESIL »die Wechselwirkungen zwischen der rechtlichen und forensischen Analyse des Völkermords in Gaza untersuchen«.
Bereits im Februar war Albanese an die FU eingeladen gewesen. Schon damals wollte sie zusammen mit dem Architekten und Schriftsteller Eyal Weizman, der das Projekt »Forensic Architecture« an der Goldsmiths University in London gegründet hat, eine Veranstaltung bestreiten. Nach Protesten gegen die umstrittene Sonderbeauftragte – unter anderem Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der israelische Botschafter in Deutschland Ron Prosor hatten den geplanten Besuch Albaneses an der Berliner Universität scharf kritisiert – wurde ein anderer Ort außerhalb des Campus gefunden.
Albanese und viele ihrer Unterstützer kritisierten hingegen die Umstände ihres umstrittenen Besuches in der Hauptstadt und warfen Wegner und Prosor einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vor.
Kai Wegner: »Auftritt kommt nicht in Frage«
Auch jetzt regt sich wieder Widerstand. Wegner teilte dem britischen »Jewish Chronicle« auf Nachfrage mit »Berliner Hochschulen sind Orte der Lehre und Forschung, aber sie vermitteln auch Werte. Wir tolerieren keinen Antisemitismus an unseren Hochschulen.« Aus diesem Grund komme ein Auftritt Albaneses, die »wiederholt Hass gegen Israel gezeigt und die Rolle der Hamas als terroristische Organisation verharmlost hat, nicht in Frage«, so Wegner. Er erwarte von der Freien Universität, dass sie ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setze.
Auch das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender (NJH) und die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) zeigen sich empört über den geplanten Workshop und über einzelne Programmpunkte desselben. In einem gemeinsamen Brief an die FU-Leitung, der der Jüdischen Allgemeinen vorliegt, schrieben sie: »Die über dem Workshop stehende Behauptung eines Genozids, die sich, wie aus der Beschreibung hervorgeht, auf die ›genozidale Gewalt in Gaza‹ bezieht, ist keine wissenschaftliche Tatsache, sondern ein schwerwiegender Vorwurf, der sich nicht durch Fakten belegen lässt. Einige Vortragstitel lesen sich wie Slogans aus einer antiisraelischen Kampagne.«
Dass Albanese, die Theorien einer jüdischen Weltverschwörung verbreite, an der FU eine Bühne geboten werden solle, nannten die Unterzeichner »alarmierend«, denn: »Jede Eskalation des Nahost- Konflikts bedeutet eine enorme Verschlimmerung der ohnehin schon prekären Lebensrealität der jüdischen Diaspora-Gemeinden«.
Jüdischen Studierenden und Lehrenden seien wegen des Klimas an Hochschulen seit dem 7. Oktober 2023 verunsichert. Ihnen werde es »zunehmend verunmöglicht, ihren Uni-Alltag fortzuführen«, schrieben die Vorsitzenden der Organisationen, Julia Bernstein, Roglit Ishay, Ilja Kogan und Ron Dekel an FU-Präsident Ziegler. Die für den 10. September geplante Veranstaltung sei dafür »ein besonders drastisches Beispiel«, fügten sie hinzu.