Meinung

Nur weil einer keine Juden mag?

Die wenigsten Antisemiten sehen sich selbst als Antisemiten. Nur die ehrlichen. Vielleicht mag man keine Juden, aber ist man deshalb schon Antisemit? Vielleicht ist es eine jüdische Verschwörung, als Antisemit diskreditiert zu werden? Wir wissen es nicht. Eines wissen wir: Es kann teuer werden, jemanden des Antisemitismus zu »bezichtigen«.

Erwin Kessler aus der Schweiz liebt Tiere, aber nicht alle Menschen. Kessler »hasst Schächt-Juden«, sagte er in einem Interview. Einer Zeitung warf er vor, sie betreibe »verlogene, jüdisch orientierte Desinformation« und nannte sie »verlogenes Judenblatt«. Er hat versucht, den Talmud in Bibliotheken und Buchhandlungen zu verbieten.

Facebook Kessler legt aber Wert darauf, dass man ihn nicht als »Antisemit« bezeichnet. Was ihn treibe, sei »Kritik am Schächten«; andere Behauptungen seien ehrverletzend. So entschied kürzlich auch ein Schweizer Gericht. Auf Facebook postete jemand, Kessler sei »Rassist«, »Antisemit« und »Faschist«. Ermittelt wurde nicht nur gegen den Urheber dieses Posts, sondern auch gegen diejenigen, die »Gefällt mir« geklickt hatten. Weil Dritte sehen, was man geliket hat, würden damit herabwürdigende Inhalte weiterverbreitet.

Nun gab es für »Likes« zu strafbaren Inhalten auch in Deutschland schon Strafen, und das ist eigentlich gut so. Wenn man sich aber ununterbrochen dagegen wehren muss, für antisemitisch gehalten zu werden, sollte man sich schon fragen, warum. Es gibt viele, die sich unter dem Vorwand, gegen das Schächten, gegen die Beschneidung oder gegen die Okkupation zu sein, fragwürdiger Formulierungen bedienen. Es ist en vogue, natürlich nichts gegen Juden (und sogar einen jüdischen Freund) zu haben, aber sprachlich in diesen Gewässern zu fischen.

Sein eigenes Handeln nicht zu hinterfragen, kennzeichnet eigentlich Fundamentalisten. Die Mission heiligt ihnen die Mittel. Wie der Autofahrer, der die Warnung vor einem Geisterfahrer im Radio hört und ruft: »Einer? Alle fahren falsch!«. Leider kein Einzelfall.

Der Autor ist Netzpublizist und lebt in Gelsenkirchen.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert