Interview

»Nicht genug jüdische Politiker«

Herr Crossland, Ihr Politthriller »The Jewish Candidate« handelt von einem jüdischen Kanzlerkandidaten in Deutschland, der zum Attentatsziel einer neonazistischen Terrorgruppe wird. Wann haben Sie angefangen, das Buch zu schreiben?
Ich habe 2007 damit begonnen und das Buch Ende 2011 fertiggestellt.

Das war, bevor die reale neonazistische Terrorzelle NSU aufflog. Hatten Sie als britischer Journalist ein besseres Gespür für das Gefahrenpotenzial der rechtsextremen Szene als die deutschen Sicherheitsbehörden?
Nein, ich habe aber auf die vielen Experten gehört, die schon seit Jahren vor potenziellem Rechtsterrorismus warnen. Es gehört auch zum gesunden Menschenverstand, dass Gruppierungen, die einer solchen Ideologie anhängen und erstaunlich einfachen Zugang zu Waffen aller Art zu haben scheinen, irgendwann eine terroristische Bedrohung darstellen werden. Sich darauf zu verlassen, dass Neonazis alle zu dumm sind, Anschläge zu verüben und Menschen gezielt zu töten, ist naiv.

Der höchstrangige gewählte jüdische Politiker im realen Deutschland ist derzeit Peter Feldmann als Oberbürgermeister von Frankfurt. Wie realistisch ist die Aussicht, dass es in absehbarer Zeit tatsächlich einen jüdischen Kanzlerkandidaten geben könnte?
Ich würde sagen, dass Deutschland fast 70 Jahre nach Ende des Dritten Reichs zumindest
theoretisch so weit ist, einen Juden als Kanzlerkandidat zu küren. Aber er (oder sie) müsste sein Judentum in den Hintergrund stellen und das Wahlvolk davon überzeugen, dass nur ein Herz in seiner Brust schlägt. Das ist die Herausforderung, der sich Rudolf Gutman in meinem Buch stellt. Aber besonders realistisch ist eine solche Kandidatur in absehbarer Zeit nicht – es mangelt zu sehr an jüdischen Politikern.

Hätte Ihr fiktiver SPD-Kandidat Robert Gutman bessere Chancen als Peer Steinbrück?
Gutman hätte auf jeden Fall bessere Chancen als Steinbrück, weil mein Kandidat das politische Format eines Willy Brandt hat sowie die Durchsetzungskraft und fußballerischen Fähigkeiten eines Gerhard Schröder. Und ein besserer Redner ist als beide. Und gut aussieht.

Ihr Buch ist vorigen Monat auf Englisch herausgekommen. Wird es auch eine deutsche Ausgabe geben?
Das weiß ich noch nicht. Es wäre natürlich wünschenswert, weil mein Buch eine einfache Botschaft hat, die hauptsächlich an Deutschland gerichtet ist, und die lautet: Ihr habt jahrzehntelang Vergangenheitsbewältigung und Wiedergutmachung betrieben und dabei Großartiges geleistet. Ihr habt eine feste, faire, gut funktionierende Demokratie, aber passt auf – verspielt es nicht, indem ihr auf dem rechten Auge blind seid, vor allem nicht jetzt, wo ihr eine größere Rolle in der Welt spielen wollt und werdet. Neonazis und Rassismus gibt es überall, aber in dem Land, das den Holocaust zu verantworten hat – und das vor gar nicht allzulanger Zeit –, muss es gegenüber Rechtsextremen null Toleranz geben. Und das ist in Deutschland leider nicht der Fall.

Mit dem britischen Journalisten und Buchautor sprachen Detlef David Kauschke und Michael Wuliger.

Oranienburg

Gedenken an NS-Völkermord an Sinti und Roma

Bei der Gedenkveranstaltung wollen Schülerinnen und Schüler Textpassagen aus Erinnerungsberichten verfolgter Sinti und Roma vortragen

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Berlin

Hitlergruß im Bundestag? Anklage gegen AfD-Abgeordneten

Nach dem Vorwurf verliert Matthias Moosdorf seine Immunität. Auch innerhalb der AfD-Fraktion gab es zuletzt Spannungen um den Politiker

 15.12.2025

Anschlag

Sydney: Neue Details zu den mutmaßlichen Tätern

Hinweise aus Ermittlerkreisen deuten darauf hin, dass die Familie ursprünglich aus Pakistan stammt

 15.12.2025

Charlotte Knobloch

Pessimismus können wir uns nicht leisten

Nach dem Terror in Sydney fragen sich auch Juden hierzulande erneut: Wohin? Deutschland hat bewiesen, dass es jüdischen Menschen eine Heimat sein kann und will, meint die Münchner Gemeindechefin

von Charlotte Knobloch  15.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Sydney

Australien berät nach Anschlag über schärfere Waffengesetze

Nach dem Terroranschlag auf ein jüdisches Fest am beliebten Bondi Beach herrscht Schock und Trauer. Premier Albanese kündigt erste Konsequenzen an - und sieht sich Kritik ausgesetzt

 15.12.2025

Australien

Wer waren die Opfer von Sydney?

Zu den Opfern des Terrors in Bondi Beach gehören ein Rabbiner und ein 10-jähriges Mädchen

 15.12.2025

Canberra

Jüdischer Ex-Minister wirft Führung Versagen beim Schutz von Juden vor

»Viele von uns haben davor gewarnt, dass dieser Tag kommen würde«, sagte Frydenberg in einem Fernsehinterview

von Imanuel Marcus  15.12.2025