Sicherheit

Neue Bundesregierung nimmt Extremismus ins Visier

Sturm auf den Bundestag (August 2020) Foto: imago images/Achille Abboud

Die neue Bundesregierung will Querdenkern und Corona-Leugnern entgegentreten. Es seien »nur sehr wenige, die glauben, sie müssten ihren Widerstand gegen die Impfungen mit martialischen Fackelmärschen demonstrieren«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der »Bild am Sonntag«. Diesen Drohungen müsse man »mit aller Schärfe« begegnen.

Er sehe das Land nicht als gespalten an, fügte Scholz hinzu. »Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger haben sich impfen lassen. Viele weitere wollen es bald tun, weil sie ihre Bedenken überwunden haben.« Zudem gehe er davon aus, »dass die allermeisten Ungeimpften diese Fackelkundgebungen genauso widerwärtig empfinden wie ich«.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus als die derzeit stärksten Bedrohungen. »Ich habe eine besondere Priorität der Bekämpfung des Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus gegeben, weil das im Moment die höchste Bedrohungslage ist«, sagte sie im phoenix-Interview am Rande des SPD-Parteitags in Berlin.

Auch die Aktivitäten der Querdenker- und Coronaleugner-Szene habe das Bundesinnenministerium genau im Blick. »Es ist zurzeit enorm wichtig, dass wir ein ganz klares Zeichen gegen diejenigen setzen, die als sogenannte Querdenker und Coronaleugner Menschen jetzt bedrohen, indem sie mit Fackelläufen zu deren Häusern gehen. Das ist eine derart schlimme Grenzüberschreitung, ein Einschüchterungsversuch, den wir so nicht durchgehen lassen können«.

Um gegen rechtsextremistisch motivierte Bewegungen und Taten vorzugehen, sieht die Bundesinnenministerin verschiedene Mittel als geeignet an. »Man kann ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen und wirklich sehr viel Unterstützung - einmal gesetzgeberisch, aber natürlich auch im konkreten Handeln - geben«, so Faeser. »Ich glaube, dass die NGOs, die in diesen Bereichen tätig sind, eine verstetigte Unterstützung brauchen und da kann ein Bundesinnenministerium sehr viel tun.«

Die Teilnehmer von Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen forderte Faeser auf, sich deutlicher von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern abzugrenzen. Diese versuchten, »die Bewegung zu durchsetzen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen«, sagte die Ministerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Die Anstrengungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt müssten verstärkt werden, »damit wir die Spaltungsversuche der antidemokratischen Kräfte überwinden«.

Faeser warnte zugleich vor einer weiteren Radikalisierung unter Querdenkern. »Die Gewaltbereitschaft nimmt zu«. Dies zeige sich auch bei Angriffen auf Polizisten, Journalisten oder Personen mit anderer Meinung.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) brachte unterdessen eine Einschränkung des Messenger-Dienstes Telegram ins Spiel. Die Betreiber könnten nicht »tatenlos zuschauen, wie in ihrem Netzwerk Morddrohungen verbreitet werden«, sagte er der »Bild am Sonntag«. Telegram gilt als wichtiger Kommunikationskanal für Extremisten.

Der Terrorismus-Forscher Peter Neumann hält es unterdessen für möglich, dass von den Protesten gegen die Corona-Politik und gegen das Impfen in naher Zukunft terroristische Gefahren ausgehen. Es habe schon vereinzelt »komplexere Anschläge« auf das Robert Koch-Institut oder auf Kliniken und Impfstellen gegeben, sagte Neumann am Sonntag auf Bild-TV. Deshalb könne er sich vorstellen, »dass wir in einigen Monaten tatsächlich möglicherweise von einer terroristischen Kampagne sprechen müssen«.

Beunruhigt zeigte sich Neumann über Hinweise, »dass sich innerhalb der Szene schon Leute konkret darauf vorbereiten, Gewalt nicht nur zu rechtfertigen, sondern sie auch zu ergreifen«. Bereits jetzt gebe es »eine Art enthemmte, affektgeladene Gewalt«, wenn Journalisten oder Leute in Geschäften angegriffen würden, weil jemand die Maske nicht richtig trage. Das sei aber noch kein Terrorismus.

Neumann zeigte sich davon überzeugt, dass die Diskussion über eine Impfpflicht und über das Impfen von Kindern zu einer weiteren Radikalisierung führen werde: »Das sind zwei hochemotionale Themen, die von der Szene als Signal gewertet werden, und die als Trigger dienen können, als Auslöser von extremen Handlungen.« Er gehe davon aus, dass die »Bewegung« insgesamt zwar kleiner werde und dass sich Menschen abwendeten. Diejenigen jedoch, die blieben, würden sich weiter radikalisieren und auch für Gewalt eintreten.

Verteidigung

Bundeswehr nimmt Raketenwehrsystem Arrow 3 in Betrieb

Deutschland baut als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Luftverteidigung aus und hat ein System in Israel beschafft. Es soll feindliche Flugkörper schon in größter Höhe zerstören können

von Carsten Hoffmann  03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Prozess

Opfer des Attentats am Holocaust-Mahnmal hörte »Allahu akbar«-Ruf

Dem spanischen Touristen Iker M. wurde im Februar von einem 19-jährigen Syrer beim Besuch des Berliner Holocaust-Mahnmals mit einem Messer in die Kehle geschnitten. Vor Gericht berichtete er von Angstzuständen, die er seitdem hat

 03.12.2025

Nach Eklats

Präsidentin der TU Berlin abgewählt

Sie war einst im Beraterkreis des damaligen Kanzlers Olaf Scholz und sorgte immer wieder für Kontroversen. Nun ist Geraldine Rauch als TU-Präsidentin abgewählt. Ihre Nachfolgerin ist keine Unbekannte

 03.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  03.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Verteidigung

Merz und Pistorius nicht bei Einführung von »Arrow 3«

Die Bundesregierung hatte immer wieder betont, wie wichtig das israelische Raketenabwehrsystem für Deutschlands Sicherheit sei

 03.12.2025