Hommage

Mit grenzenloser Courage

Heinz Galinski 1912–1992 Foto: dpa

Hommage

Mit grenzenloser Courage

Zum 100. Geburtstag von Heinz Galinski

von Dieter Graumann  20.11.2012 07:41 Uhr

Kein »Bequemer«, sondern ein Mahner. Trefflicher lässt sich Heinz Galinski wohl kaum charakterisieren. Ob als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin oder später des Zentralrats der Juden in Deutschland – Heinz Galinski hat sich nie gescheut, den Finger in die Wunde zu legen und sich öffentlich für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland einzusetzen. Er hat politische Missstände beim Namen genannt und unermüdlich für die Rechte der Schoa-Überlebenden gekämpft.

wegbereiter Er, der selbst durch die Hölle von Auschwitz gegangen war, der dort seine Mutter und erste Ehefrau verlor, hat mit einer Lebenskraft und einer Zuversicht, die wir bis heute bewundern, den Neuanfang im Nachkriegsdeutschland gewagt, für ihn persönlich und als Wegbereiter für eine neue jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Mit unbändigem Lebenswillen und grenzenloser Courage ging er ans Werk und gab damit den kleinen, von den Nazis fast ausgerotteten jüdischen Gemeinden in Deutschland wieder Zuversicht und neue Hoffnung.

Heinz Galinski hat sich dabei nie einschüchtern lassen. Der Wunsch nach einer wieder blühenden jüdischen Gemeinschaft hierzulande war ihm immer Herzenssache, in der er sich nicht beirren ließ. Ob es alltägliche Feindseligkeiten, zwei verhinderte Bombenattentate auf seine Person oder die Frustration des langwierigen Aufbauprozesses waren, Heinz Galinski hat sich nie von seinem Weg abbringen lassen – einem Weg, den wir auch heute noch entschlossen gehen.

wiederaufbau Wofür hat Heinz Galinski also gekämpft? Wofür hat er gelebt? Er hat an den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland geglaubt – und hart dafür gearbeitet, ja sein ganzes Leben nach dem Krieg in den Dienst dieser Sache gestellt. Er hat gekämpft für finanzielle Entschädigung der Schoa-Opfer, gegen die Schlussstrich-Mentalität, die sich zusehends breit machte. Als sich so viele hier mit der PLO solidarisierten, stand er stets unerschütterlich fest an der Seite Israels. Schändungen jüdischer Friedhöfe, offener und versteckter Antisemitismus – Heinz Galinski erhob laut und vernehmlich seine Stimme.

Es sind die gleichen Themen, die uns auch heute immer noch bewegen. Der Zentralrat der Juden will sich künftig nicht mehr auf die Rolle des Dauer-Mahners fixieren lassen. Doch regelmäßig zwingen uns aktuelle Debatten regelrecht dazu, entschlossen Stellung zu beziehen. Das tun wir – mit Feuereifer und Leidenschaft. Häufig genug sind wir die Ersten, die ihre Meinung äußern.

Die Stimme von Heinz Galinski ist 1992 verstummt, aber wir setzen sein Werk bis heute enthusiastisch fort. Er war eine großartige Persönlichkeit, die unvergessen bleibt. Sein Einsatz wird für uns alle für immer ein großes Vorbild sein.

Geleitwort zu dem soeben erschienenen Buch von Juliane Berndt: »Ich weiß, ich bin kein Bequemer … Heinz Galinski – Mahner, Streiter, Stimme der Überlebenden«. Herausgegeben von Andreas Nachama. be.bra, Berlin 2012, 334 S., 19,95 €

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025