Atombombe

»Meer aus Blut«

Die Urananreicherungsanlage in Natans (2005) Foto: dpa

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm eskaliert. Beobachter befürchten, dass der derzeitige Krieg der Worte in militärische Auseinandersetzungen münden könnte. Ein hochrangiger westlicher Diplomat warnte vergangene Woche bei einem Gespräch in Berlin: »Obwohl das auf beiden Seiten niemand wirklich will, kann diese Sache durchaus schnell eskalieren und außer Kontrolle geraten.« Mit einem »Meer aus Blut«, einem Persischen Golf, der sich rot färbe, soll der als Hardliner geltende einflussreiche Ajatollah Ali Mowahdei Kermani vergangenen Freitag den USA gedroht haben.

Washington Im Streit um die iranische Uran-Anreicherung drohte am Sonntag aus Washington US-Präsident Donald Trump: »Der Iran sollte besser vorsichtig sein.« Es sei »nicht gut«, wenn der Iran Uran anreichere. Das Land unternehme »viele schlechte Dinge«. Zuvor hatte Trump bereits gewarnt: »Sie wissen, womit sie spielen, und ich denke, sie spielen mit dem Feuer.«

US-Außenminister Mike Pompeo twitterte: »Ein mit Atomwaffen ausgerüstetes iranisches Regime würde eine noch größere Gefahr für die Welt darstellen.« Pompeo drohte dem Iran mit schärferen Sanktionen. Eine Woche zuvor hatte Pompeo geschrieben: »Dem weltweit führenden Sponsor von Terrorismus darf es nie gestattet werden, auf irgendeiner Ebene Uran anzureichern.«

Trotz dieser Worte aus Washington hatte Teheran am Sonntag begonnen, Uran über das erlaubte Maß von 3,67 Prozent anzureichern. »Ab heute halten wir uns nicht mehr an die 3,67 Prozent, und unsere Urananreicherung wird je nach Bedarf erhöht«, sagte Regierungssprecher Ali Rabei. Der Sprecher der iranischen Atom­organisation, Behrus Kamalwandi, erklärte, sein Land werde die Urananreicherung je nach technischem Bedarf schrittweise auf fünf bis 20 Prozent erhöhen.

VERTRAG Eine Ankündigung, die in Europas Hauptstädten die Alarmglocken schrillen lässt. Weiß man doch dort, dass der Iran die technischen Probleme der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent längst gelöst hat und damit einen sehr großen Teil des Weges gegangen ist, der notwendig ist, um auf 90 Prozent angereichertes, also waffentaugliches, Uran zu gewinnen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Ankündigungen aus Teheran als »sehr, sehr gefährlichen Schritt«. Was der Iran mache, habe »nur einen Zweck: Atomwaffen zu bauen«. Israel warnt seit Jahren davor, dass der Iran unter dem Deckmantel seines angeblich zivilen Nuklearprogramms ein breites militärisches Atomprogramm betreibe. Die militärische Nuklearinfrastruktur, die der Iran in der Vergangenheit aufgebaut habe, werde durch die derzeitigen internationalen Verpflichtungen des Gottesstaates nicht wirksam eingedämmt.

»Jahrelang hat der Iran gelogen, getrickst und verschleiert.« IAEA-Inspekteur

Am 14. Juli 2015 hatten die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit dem Iran den »Joint Comprehensive Plan of Action« (JCPoA) unterzeichnet, der allgemein als Atomvertrag bezeichnet wird. Durch ihn sollte die Fähigkeit des Irans, sein vorgeblich ziviles Nuklearprogramm militärisch zu nutzen, um zur Atommacht aufzusteigen, für zehn bis 15 Jahre zumindest eingedämmt werden. Im Gegenzug wurden die westlichen Sanktionen gegen den schiitischen Gottesstaat schrittweise aufgehoben.

TRUMP US-Präsident Donald Trump, der dem Vertrag von Beginn an kritisch gegenüberstand, hatte im Mai 2018 seine Ankündigung, aus dem Vertrag auszusteigen, wahr gemacht und weitere scharfe Sanktionen gegen den Iran verhängt. Bei den europäischen Partnerstaaten stieß die Entscheidung der USA auf Unverständnis. Alle Kontrollen der Wiener Atomenergiebehörde (IAEA) hätten ergeben, dass der Iran seinen Vertragsverpflichtungen nachkomme, argumentierte man in der EU.

»Das ist so nicht ganz richtig«, sagte dieser Tage ein Inspekteur der IAEA im Gespräch. »Wir durften und dürfen bei Weitem nicht alle nuklearen Einrichtungen des Irans kontrollieren.« Der IAEA sei nur der Zugang zu 18 von Teheran gemeldeten Anlagen gestattet, aber, fragt der Experte: »Haben sie uns wirklich alle gemeldet? Unsere jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem Iran lassen durchaus berechtigte Zweifel zu.«

Zudem dürften die IAEA-Inspekteure nicht in militärischen Einrichtungen kontrollieren. Was dort geschehe, könne man nicht wissen. »Jahrelang hat der Iran die Welt über den Charakter seines Nuklearprogramms getäuscht. Hat gelogen, betrogen, getrickst und verschleiert. Da ist heute zumindest gesunde Skepsis angebracht.«

ATOMPROGRAMM Die Zweifel an einem ausschließlich zivilen Charakter des iranischen Nuklearprogramms werden zudem durch Äußerungen hochrangiger iranischer Politiker mehr als nur genährt. Schon im April 1984 erklärte der damalige Staatspräsident und heutige Höchste Geistliche Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, in einer Geheimsitzung vor führenden militärischen und politischen Vertretern der Islamischen Republik, schon der Revolutionsführer und Großajatollah Khomeini habe entschieden, dass das unter dem Schah aufgelegte und nach der Islamischen Revolution eingefrorene Nuklearprogramm neu aufzulegen sei – bis hin zur Entwicklung von Atomwaffen.

Erstmals hatte der damalige Präsident des iranischen Parlaments, Ali Akbar Haschemi Rafsandschani – auch er später Staatspräsident –, 1988 öffentlich zur Entwicklung von Atomwaffen aufgerufen. 2004 bestätigte in Teheran Hussein Mousavian, der Vorsitzende der außenpolitischen Kommission im mächtigen Nationalen Sicherheitsrat Irans, im Gespräch: »Selbstverständlich hat die Islamische Republik das unbedingte Recht zur Entwicklung von chemischen, biologischen und nuklearen Waffen – nicht, um sie offensiv einzusetzen, aber zu unserer Verteidigung.«

Es sieht so aus, als folgten die jüngsten Aktivitäten Teherans einem schon lange Zeit bekannten Plan.

Essay

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  18.09.2025 Aktualisiert

Yad Vashem

Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland: Drei mögliche Standorte ausgewählt

In welchen Bundesländern könnte die Institution gebaut werden? Drei stehen auf der Liste

 18.09.2025

Gazakrieg

Trump: »Ich will, dass die Geiseln sofort freigelassen werden«

Beim Staatsbesuch des US-Präsidenten im Vereinigten Königreich ging es bei einer Pressekonferenz auch um den Gaza-Krieg. Dabei machte Donald Trump eine zentrale Forderung erneut deutlich

 18.09.2025

Initiative

Kampf gegen Judenhass: Bündnis fordert Taten von der Politik

Zahlreiche Persönlichkeiten und Organisationen beteiligen sich an einem Bündnis gegen Antisemitismus. Am Donnerstag traten sie mit einem Fünf-Punkte-Plan an die Öffentlichkeit

 18.09.2025

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Washington D.C.

US-Gericht ordnet Abschiebung von Machmud Chalil an

Den israelfeindlichen Aktivisten würde die US-Regierung gern abschieben. Fehlende Angaben bei seiner Green Card könnten ihm zum Verhängnis werden

 18.09.2025

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025