Antisemitismus

»Mangelnde Sensibilität«

Samuel Salzborn über judenfeindliche Straftaten, deren Erfassung und einen Leitfaden für Polizeidienststellen

von Katrin Richter  17.06.2021 08:38 Uhr

Samuel Salzborn Foto: Maria Ugoljew

Samuel Salzborn über judenfeindliche Straftaten, deren Erfassung und einen Leitfaden für Polizeidienststellen

von Katrin Richter  17.06.2021 08:38 Uhr

Herr Salzborn, antisemitische Straftaten sollen in Zukunft präziser erfasst werden. Was war bislang das Problem, was kann getan werden?
Bei der Erfassung antisemitischer Straftaten haben wir ein Problem: Sie ist ungenau, und das generiert wiederum unterschiedliche Problemlagen. Zum einen erlangt man kein realistisches Bild über judenfeindliche Straftaten. Zum anderen entsteht der Eindruck, dass es eine sehr einseitige Bedrohungslage für Jüdinnen und Juden gibt. Gerade auch für langfristige Fragen der Prävention ist eine genauere Erfassung hilfreich.

Bislang wurden antisemitische Straftaten, die nicht eindeutig zugeordnet werden konnten, in die Kategorie »PMK – rechts« sortiert. Ist das die Ablage für alles?
»PMK – rechts« ist eine Sammelkategorie für politisch motivierte Kriminalität, in die man alles einordnet. Wenn bei einer anti-israelischen Demonstration der Hitlergruß gezeigt wird, würde man dies in die »PMK – rechts« sortieren, aber den entsprechenden Kontext ausblenden. Es mangelt an sensibler Wahrnehmung von Antisemitismus. Dass er in erster Linie mit Rechtsextremismus verbunden wird, ist nicht falsch, aber es greift zu kurz. Insbesondere bei Formen des anti-israelischen Antisemitismus gibt es andere Motivlagen.

Welche Kategorisierung könnten Sie sich vorstellen?
Zivilgesellschaftliche Initiativen wie RIAS haben ein deutlich präziseres Erfassungssystem und differenzieren in Bezug auf die verursachenden Täterinnen und Täter, aber auch auf Basis der Weltanschauung. Wenn man zu stark auf die Täter fokussiert, gerät diese zu stark aus dem Blick. Hinzu kommt: Der Antisemitismus von heute ist nicht mehr der Antisemitismus der 60er-Jahre – gerade auch mit Blick auf den gegen Israel gerichteten milieuübergreifenden Judenhass.

Nach antisemitischen Vorfällen in Gelsenkirchen oder Solingen ist dies ein Thema der Innenministerkonferenz. Wie sehr stehen die Bundesländer unter Druck, endlich zu handeln?
Ich bedauere, dass immer erst dann, wenn es besonders aggressiven Antisemitismus gibt, ein Handeln generiert wird, anstatt dies als dauerhafte Herausforderung zu begreifen. Man muss sehen: Judenfeindliche Taten würde es ohne das Weltbild nicht geben.

Welche Schlüsse könnte man aus einer präziseren Erfassung ziehen?
Neben einer wirklichkeitsnäheren Erfassung stehen auch unterstützende Maßnahmen für die ermittelnden Behörden. In Berlin sind wir dabei, einen Leitfaden, den Generalstaatsanwaltschaft und Polizei gemeinsam erarbeiten, auf den Weg zu bringen. Den Ermittlungsbehörden soll damit Werkzeug an die Hand gegeben werden, Antisemitismus in seinen Facetten zu erkennen. Ein solcher Leitfaden, der den Polizeidienststellen dann vorliegt, könnte die Sensibilität, Judenhass zu erkennen, deutlich steigern.

Mit dem Antisemitismusbeauftragten von Berlin sprach Katrin Richter.

Nahost

Israels Außenminister fordert »klaren Kurs« der Bundesregierung

Deutschland solle sich nicht nur zu Israels Sicherheit bekennen, sondern auch so handeln, sagt Gideon Sa’ar im Interview mit der »Welt am Sonntag«

 14.02.2025

Google

Google Calendar streicht den Internationalen Holocaust-Gedenktag

Neben anderen Gedenktagen sind im Google Calendar auch die mit jüdischem Bezug verschwunden. Das Unternehmen dementiert, dass man damit den Anti-Diversitäts-Vorgaben der Trump-Regierung gehorche

 14.02.2025

Faktencheck

Szene aus »Markus Lanz«-Sendung mit Robert Habeck weiter abrufbar

In der Debatte um Verschärfungen in der Migrationspolitik war Robert Habeck in einer TV-Sendung zu Gast. Nun teilen Nutzer eine Aussage, die nachträglich gelöscht worden sei. Doch das stimmt nicht

 14.02.2025

Frankfurt am Main

Haya Schulmann widerspricht Gutachten zu antisemitischem Vorfall beim Hessischen Rundfunk

Ein Gutachten kommt zu dem Schluss, dass kein Fehlverhalten vorgelegen habe. Die betroffene Informatikprofessorin bleibt jedoch bei ihrer Darstellung

von Imanuel Marcus  14.02.2025

Anstieg

Rechtsextreme Straftaten 2024 auf Rekordhoch

Immer mehr rechtsextreme Straftaten in Deutschland - Nach 2023 reißt 2024 erneut die Höchstmarke mit weit über 41.000 Delikten, wie die »taz« berichtet. Die Zahlen sind allerdings noch vorläufig

 14.02.2025

Bundestagswahl 2025

Meinungsforscher Güllner: Merz stabilisiert AfD mit forscher Art

CDU-Anhänger fühlen sich »natürlich eher bestärkt« durch Merz‹ Agieren - »die wandern nicht ab«, so Güllner

von Susanne Rochholz  14.02.2025

EU / Gaza

EU-Parlamentspräsidentin Metsola besucht Gaza

Die Präsidentin des Europaparlaments macht sich persönlich ein Bild von der Lage in Gaza. Im Gepäck hat sie ein Versprechen

 14.02.2025

Washington D.C./Gaza

Rubio ruft arabische Länder zu Gaza-Vorschlag auf

»Wenn sie also einen besseren Plan haben, ist jetzt die Zeit, ihn zu präsentieren«, sagt der US-Außenminister

 14.02.2025

Debatte

Großer Wirbel: Israelisches Team von Turnier in Stuttgart ausgeladen

Ein israelisches Sportteam darf bei einem Turnier in Deutschland nicht starten. Die Organisatoren betonen, dass Sicherheitsgründe keine Rolle spielen und man auch nicht voreingenommen sei

 13.02.2025 Aktualisiert