Berlin

»Kein rechtsfreier Raum«

Frank Henkel Foto: dpa

Berlin

»Kein rechtsfreier Raum«

Frank Henkel über erlaubte Hamas-Tagungen, verbotene Israelfahnen und historische Verantwortung

von Martin Krauss  27.04.2015 23:03 Uhr

Herr Henkel, Sie waren am Wochenende in Israel. Währenddessen fand in Berlin eine Palästina-Konferenz statt, hinter deren Veranstaltern laut Verfassungsschutz die terroristische Hamas steckt. Wie haben Sie Ihren Gastgebern in Jerusalem das erklärt?
Während meiner Reise ging es häufig um die Frage, warum Berlin gerade für junge Israelis so attraktiv ist. Ich freue mich, dass wir eine pulsierende jüdische Gemeinde in der deutschen Hauptstadt haben. Aber es gibt große Herausforderungen für das friedliche Zusammenleben. Dazu zählt der Antisemitismus. Es war mir wichtig, dieses Thema in meiner Rede vor israelischen Zuhörern anzusprechen. Ich bin auf die Konferenz eingegangen, auf die israelfeindlichen Demonstrationen im vergangenen Sommer, auf rassistische und antisemitische Übergriffe. Ich habe deutlich gemacht, dass wir Toleranz und Weltoffenheit in Berlin jeden Tag neu verteidigen müssen.

Wäre es in diesem Sinne nicht möglich gewesen, die Hamas-Konferenz zu verbieten?
Nein. Wir haben geprüft, ob wir gegen die Veranstaltung vorgehen können. Aber ob etwas, das ich persönlich kritisiere, am Ende auch rechtlich untersagt werden kann, ist eine andere Frage. Da gibt es hohe Hürden, das ist das Wesen unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats. Das heißt aber nicht, dass eine solche Veranstaltung ein rechtsfreier Raum ist. Ich habe im Vorfeld erklärt, dass die Berliner Polizei die Veranstaltung bei antisemitischen oder volksverhetzenden Inhalten sofort abbrechen wird. Wenn ich mir den Verlauf anschaue, dann scheint der öffentliche Druck nicht geschadet zu haben.

Nur einen Tag später kam es zu einem Skandal beim Zweitliga-Fußballspiel Union Berlin gegen FC Ingolstadt. Auf Anweisung der Polizei mussten Ingolstädter Fans eine israelische Fahne einholen. Warum?
Es ist verständlich, dass dieser Vorfall erhebliche Irritationen ausgelöst hat. Die Entscheidung war falsch. Das habe ich bereits am Sonntag deutlich gemacht. Die Polizei hat den Vorfall schnell ausgewertet und um Entschuldigung gebeten. Ich danke dem Polizeipräsidenten, dass er gestern klare und angemessene Worte gefunden hat. Eine solche Reaktion war auch notwendig.

Droht Berlin nach antiisraelischen und judenfeindlichen Protesten des vergangenen Sommers erneut zum Schauplatz von Hasspropaganda zu werden?
Wir gehen konsequent gegen antisemitische Bestrebungen vor. Dabei reicht es jedoch nicht aus, nur auf die Zahl der Straftaten zu schauen, die im letzten Jahr leicht gesunken ist. Es geht auch um subjektive Sicherheit. Ich nehme es sehr ernst, wenn Menschen jüdischen Glaubens von einem Bedrohungsgefühl sprechen, wenn sie mit Kippa in manchen deutschen Stadtvierteln unterwegs sind. Die Sicherheitsbehörden tun alles dafür, dass es keine No-Go-Areas gibt. Aber es ist nicht nur eine Frage für Polizei und Justiz. Wichtig ist, dass gerade junge Menschen miteinander in Kontakt kommen, Vorurteile abbauen und Respekt füreinander entwickeln.

Mit dem Berliner Innensenator sprach Martin Krauß.

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025