Interview

»Katholik mit großem Herzen«

Rabbiner Henry G. Brandt Foto: Gregor Zielke

Interview

»Katholik mit großem Herzen«

Rabbiner Henry G. Brandt über den Preisträger der Buber-Rosenzweig- Medaille und die Woche der Brüderlichkeit

von Ayala Goldmann  02.03.2015 19:17 Uhr

Herr Rabbiner Brandt, am Sonntag wird die Woche der Brüderlichkeit in Ludwigshafen eröffnet. Die Buber-Rosenzweig-Medaille erhält Hanspeter Heinz, Leiter des Gesprächskreises »Juden und Christen« beim Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Wofür?
Dieser Gesprächskreis ist weltweit so gut wie einmalig. Hier wird auf hoher intellektueller Ebene gleichwertig mit jüdischen und christlichen Wissenschaftlern und Theologen gearbeitet. Der Kreis war durchaus gewillt, kritisch mit der katholischen Kirche umzugehen – zum Beispiel, was die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte durch Papst Benedikt XVI. zur »Erleuchtung der Juden« angeht, oder die Diskussion um Kreuze auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz.

Sie kennen den Preisträger gut, er wohnt wie Sie in Augsburg. Was für ein Mensch ist er?
Er hat diesen Kreis jahrzehntelang brillant geleitet, ohne irgendjemanden zu verletzen. Er ist Priester und emeritierter Professor für Theologie. Er hat keine Angst anzuecken, und er ist ein Mensch mit einem enorm großen Herz, der besonders für die Schwachen da ist. Aber er ist kein Weichei.

Welche Themen stehen derzeit auf der Agenda des jüdisch-christlichen Dialogs?
Vor allem der Antisemitismus, auch das Problem des islamischen Antisemitismus, und die Ausbrüche vom vergangenen Sommer.

Würden Sie sich von Kirchenvertretern entschiedenere Worte wünschen?
Die christliche Szene ist ja nicht uniform. Aber wir haben in der jüngsten Zeit gemerkt, dass sich die Kirchen ziemlich schnell an unsere Seite stellen.

Ist der jüdisch-christliche Dialog noch zeitgemäß? Sollte man ihn zu einem Trialog von Juden, Christen und Muslimen machen?
Meine persönliche Meinung: Ein Trialog würde dazu führen, dass die Gespräche verflachen. Die Gemengelage zwischen Judentum und Christentum ist völlig anders als beim Islam. Die Stufe des Vertrauens zwischen Juden und Christen, die wir erreicht haben, aber auch die Themen sind so unterschiedlich, dass ein Trialog nicht dasselbe leisten kann. Es geht ja nicht nur um aktuelle Probleme, sondern wir arbeiten eine 2000 Jahre alte Geschichte mit tiefen theologischen Wurzeln auf. Da gibt es noch viel zu klären, aber auch zu verteidigen: Wir wollen die Werte bewahren, die sich als gemeinsames Gut herausgestellt haben. Das bedeutet nicht, dass ein Gespräch mit dem Islam nicht notwendig wäre – aber als Dialog macht es mehr Sinn.

2014 sind fast 400.000 Menschen aus Deutschlands großen Kirchen ausgetreten. Auch in den jüdischen Gemeinden sinkt die Mitgliederzahl. Wer wird in 30 Jahren noch den jüdisch-christlichen Dialog bestreiten?
Um es mit Amos 7,14 zu sagen: »Ich bin kein Prophet, auch keines Propheten Sohn.« Aber ich glaube, dass es auch in 30 Jahren noch genug Themen gibt. Denn Juden und Christen können gemeinsam aus religiösem Antrieb heraus zum Wohl der Gesellschaft tätig werden.

Mit dem Vorsitzenden der Allgemeinen Rabbinerkonferenz sprach Ayala Goldmann.

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Ahmad Mansour gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025