Hamburg

Judenhass präventiv begegnen

Der neue Hamburger Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel steht nach seiner Vorstellung im Treppenhaus des Rathauses. Foto: picture alliance/dpa

Hamburg bekommt erstmals einen Antisemitismusbeauftragten. Auf der Landespressekonferenz am Dienstag stellten Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) Stefan Hensel als Beauftragten vor. Seine Amtszeit beginnt am 1. Juli.

Der Pädagoge und Unternehmer war Wunschkandidat der beiden jüdischen Gemeinden in der Hansestadt, die bei der Berufung Hensels durch Philipp Stricharz von der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und Galina Jarkova von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg vertreten waren.

HINTERGRUND Stefan Hensel ist für drei Jahre in das Ehrenamt berufen. Er ist schon als langjähriger Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg prädestiniert für die Aufgabe, dem Antisemitismus in der Hansestadt entgegenzuwirken. Hensel hat mehrere Jahre in Israel gelebt und ist Geschäftsführer eines Hamburger Bildungsträgers, der auch mehrere bilinguale Kindergärten betreibt. Als Antisemitismusbeauftragter arbeitet er laut Senat ehrenamtlich und ist nicht weisungsgebunden, bekommt jedoch Unterstützung durch eine in der Gleichstellungsbehörde angesiedelte Geschäftsstelle.

Hensels Amtszeit als Antisemitismusbeauftragter beginnt am 1. Juli 2021.

»Gemeinsam mit den Hamburgerinnen und Hamburgern, mit städtischen Institutionen und privaten Initiativen werde ich daran arbeiten, jüdisches Leben in unserer Stadt sichtbarer und verständlicher zu machen«, sagte Hensel.

Der 41-Jährige setzt vor allem auf vorbeugende Arbeit. Er versprach, dass Hamburgs jüdische und nichtjüdische Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung mit ihm und seinem Team verlässliche Ansprechpartner haben werden. Er wolle die Präventionen gegen Antisemitismus bündeln.

DIALOGANGEBOTE »Als Antisemitismusbeauftragter und Beauftragter für jüdisches Leben in Hamburg möchte ich insbesondere Gespräche zwischen unterschiedlichen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen«, sagte Hensel. Um diese Art von Dialogangeboten umzusetzen, hat der Hamburger Senat bereits Finanzmittel zur Verfügung gestellt.

»Antisemitismus und Diskriminierung haben keinen Platz in unserer demokratischen Stadtgesellschaft«, erklärte Bürgermeister Peter Tschentscher. Der Senat unterstütze die Arbeit der jüdischen Gemeinden.

Vertrauen »Ich freue mich sehr, dass wir mit Stefan Hensel einen langjährigen Vertrauten und Kenner des jüdischen Lebens und Israels gewinnen konnten«, dankte Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank. Hensel sei exzellent vernetzt und habe gute Ideen, gerade Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen jüdisches Leben näherzubringen und Begeisterung für die jüdische Kultur zu wecken.

Die Hamburgische Bürgerschaft hatte im Dezember 2019 beschlossen, einen Antisemitismusbeauftragten zu ernennen. Es habe im Sommer vergangenen Jahres zunächst einen anderen Vorschlag zur Besetzung der Stelle gegeben, auf den man sich nicht habe verständigen können, erklärte Fegebank die lange Dauer des Prozesses.

»Es ist sehr wichtig für uns, dass der Antisemitismusbeauftragte jemand ist, der das Vertrauen unserer Mitglieder genießt und Strategien entwickelt, Judentum zu zeigen, ohne uns Risiken auszusetzen«, sagte Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Denn leider müssten die Jüdinnen und Juden auch in der Hansestadt immer noch genau abwägen, wie viel Öffentlichkeit vertretbar sei. »Stefan Hensel hat unser Vertrauen«, betonte auch Galina Jarkova, Vorsitzende Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg. (mit kna)

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  30.11.2025

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 30.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  29.11.2025