Leo-Baeck-Preis

Hervorragender Streiter

Zeit deines politischen Lebens hast du dich für die Aussöhnung mit dem jüdischen Volk starkgemacht», würdigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Grünen-Politiker Volker Beck. Am vergangenen Mittwoch hatte Beck die höchste Auszeichnung erhalten, die der Zentralrat der Juden in Deutschland vergibt: den Leo-Baeck-Preis. Steinmeier lobte Becks Engagement «als Abgeordneter, als forscher Verhandlungsführer in zahlreichen Gremien, als Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe».

Die Verbundenheit mit dem jüdischen Volk sei Teil von Becks persönlicher und politischer Identität geworden, sagte der Außenminister. Becks Engagement für die Anerkennung des Leids und der Verfolgung von Homosexuellen während der NS-Zeit habe in dem Grünen-Politiker auch das Bewusstsein für eine Entschädigung weiterer Opfergruppen geweckt.

Roter Faden Zentralratspräsident Josef Schuster sagte zur Begrüßung bei der feierlichen Preisverleihung im Axica-Kongresszentrum am Brandenburger Tor, der Kampf gegen Antisemitismus ziehe sich «wie ein roter Faden durch das politische Leben Volker Becks». Beck habe sich schon zu einer Zeit für die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter engagiert, «als noch keine Sammelklagen aus den USA gegen deutsche Unternehmen drohten», so Schuster. Unter maßgeblicher Beteiligung Becks hatte der Bundestag im Jahr 2000 eine Stiftung für die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter gegründet. Steinmeier würdigte zudem, dass sich Beck für die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas und das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen einsetzte.

Das Preisgeld von 10.000 Euro stiftete Volker Beck für ein gemeinsames Projekt der Amadeu Antonio Stiftung und des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) im Kampf gegen Homophobie.

Schuster betonte, der Grünen-Politiker habe «von Anfang an dafür gekämpft, ein Verbot der Beschneidung zu verhindern». Niemand habe Volker Beck die Bedeutung dieser Tradition für das jüdische Leben erklären müssen. Darauf hob auch Steinmeier in seiner Laudatio ab: «Für uns beide war klar: Religiöse Toleranz ist ein Kernprinzip unserer Demokratie!» Weiter sagte der SPD-Politiker: «Und gerade weil du so ein hervorragender Streiter bist, lieber Volker, bin ich froh, dass wir in der Vergangenheit oft auch an einem Strang gezogen haben.»

Der 54-jährige Beck ist innen- und religionspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Während des Gaza-Konflikts im Sommer 2014 hatte er sich gegen Antisemitismus und einseitige Schuldzuweisungen an Israel ausgesprochen. Beck gehe es, so Schuster, «um eine faire und objektive Betrachtung über den Nahostkonflikt, immer aber auch im Bewusstsein der besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel. Und wenn dann in Berlin zu einer Demonstration aufgerufen wird, bei der sich die Teilnehmer mit palästinensischen Messer-Attentätern solidarisieren sollen, dann ist Volker Beck der Erste, der einen Protestbrief an den zuständigen Innensenator schreibt», sagte der Zentralratspräsident.

Entscheidung Die Entscheidung für Volker Beck als Leo-Baeck-Preisträger sei einstimmig gefallen, betonte Schuster zu Beginn seiner Rede. Die Gremien des Zentralrats seien sehr diskussionsfreudig; in diesem Fall sei jedoch keine lange Aussprache nötig gewesen. Der seit 1957 verliehene Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden erinnert an den großen deutschen Rabbiner Leo Baeck (1873–1956), einen bedeutenden Vertreter des liberalen Judentums.

Durch die Reden der Politiker zog sich auch das Thema Flüchtlinge. Josef Schuster sagte: «Auch bei uns, in der jüdischen Gemeinschaft, gibt es ein Gefühl der Verunsicherung. Die Sorge, dass die Flüchtlinge auch Antisemitismus mit ins Land bringen könnten.» Über diesen Sorgen vergäßen die Juden aber eines nie: «In jedem Flüchtling zuerst den Menschen zu sehen. Es sind Menschen, die alles verloren haben: ihre Heimat, ihren Besitz, oft auch Familienangehörige. Wer sollte nicht tiefstes Verständnis für diese Menschen haben, wenn nicht wir Juden», erklärte Schuster.

Zu den 250 Gästen des Abends gehörten die beiden Vizepräsidentinnen des Bundestags, Claudia Roth und Petra Pau, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, die Grünen-Parteivorsitzende Simone Peter und der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Auch ehemalige Preisträger waren gekommen, darunter die Verlegerin Friede Springer und der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Der Theologe war 2013 beim Gemeindetag des Zentralrats mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet worden.

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025