Meron Mendel

Göttingen: Applaus für Populisten

Meron Mendel Foto: Felix Schmitt

Immer glaubt man, man hat alles schon gesehen, wenn es um »Israelkritik« geht. Doch die Realität überrascht immer wieder. Vor wenigen Tagen war ich ins Deutsche Theater in Göttingen eingeladen, zu einer Diskussionsveranstaltung mit dem Thema: »Antisemitismus oder berechtigte Kritik an Israel?«

Anlass war die Kritik, die die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die BDS-nahe »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« nach sich gezogen hatte. Auf dem Podium mit dabei: Rita Süssmuth, Jürgen Trittin und andere. Ich war als eine Art Ersatz für einen Vertreter des Zentralrats geladen, da dort niemand der Einladung entsprochen hatte. Offenbar aus gutem Grund: Die Stimmung in den beiden voll besetzten Sälen – bis in die Balkone hinauf – war ausnehmend befremdlich.

parolen Fast 800 Menschen waren gekommen, vor allem ältere Deutsche, wohlgemerkt ohne Migrationshintergrund. In der ersten Reihe fielen Deutsche mit arabischen Parolen auf dem Revers auf. Die Stimmung glich bereits zu Beginn der in einem Fußballstadion. Oder doch der eines Tribunals?

Auftritt Iris Hefets, aus dem Vorstand der »Stimme«: »Ich gehöre zu den Tätern, ich schäme mich dafür.« Donnernder Applaus. Die Diskussion beginnt mit der Geschichte des Nahostkonflikts – niemand auf dem Podium ist Experte, aber bei dem Thema sind bekanntlich immer alle Experten.

Weiter geht es mit der antiisraelischen Grundstimmung im Land: Ich berichte über das traurige Missverhältnis, dass Deutschland unter Israels Jugendlichen einen sehr hohen Ruf genieße, Israel bei der deutschen Jugend jedoch sehr unbeliebt sei. »Das stimmt nicht«, dröhnt es von irgendwo aus dem Publikum. Selten bin ich in einer Situation, in der ich als Wissenschaftler mir Buhrufe gefallen lassen muss.

applaus Ich erwähne zudem die bemerkenswerte Situation, dass die auch von Deutschland geförderte UNWRA-Flüchtlingshilfe den Flüchtlingsstatus vererbt: Nach der Definition, die an Palästinenser angelegt wird, bin auch ich Flüchtling, sage ich, weil meine Großeltern damals aus Europa flohen. Daraufhin brüllt Jürgen Trittin: »Das lasse ich nicht zu, dass, wenn wir Krankenhäuser in der Westbank finanzieren, das als Angriff auf Israels Sicherheit gewertet wird!« Wieder donnernder Applaus.

Und die Bilanz? 75 Jahre nach Auschwitz gibt es in einem deutschen Theater tosenden Beifall, wenn eine Jüdin sagt: »Ich bin Täterin.« 75 Jahre nach Auschwitz fällt einem populistisch auftretenden deutschen Politiker nichts anderes ein, als diesen billigen Applaus anzufeuern und zu bedienen.

Verstehen Sie mich nicht falsch, die Veranstalter haben sich redlich bemüht. Und natürlich, in einer Demokratie muss man über alles diskutieren können, auch über Abwegiges und Falsches.

Aber hat sich hier niemand gefragt, ob die ganze Israel-Diskussion nicht nur vorgeschoben ist? Dass es hier ausschließlich um spezifisch deutsche Bedürfnisse geht wie Schuldabwehr und Schuldumkehr? Mich lässt das Schaudern über diesen Applaus jedenfalls nicht los.

Der Autor ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  02.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025

Interview

»Deutschlands Vorbildrolle steht radikal infrage«

Oliver von Wrochem über 80 Jahre Kriegsende, eine stärker werdende AfD und NS-Gedenkstätten als gesellschaftspolitische Akteure

von Sebastian Beer  02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schritt des Verfassungsschutzes, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen

von Anne-Beatrice Clasmann  02.05.2025

Deutschland

Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette und der angebliche »Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung«

Lange lebte die frühere RAF-Terroristin Klette im Untergrund, ehe sie in Berlin verhaftet wurde. Am 1. Mai ist sie in Gedanken wieder in ihrer Kreuzberger Community

 02.05.2025

Josef Schuster

Zentralrat der Juden fordert mehr Klarheit im Umgang mit der AfD

Vertreter der Partei dürften nie »in staatstragende Funktionen gelangen«, so der Zentralratspräsident. Zuvor hatte der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft

 02.05.2025