NRW

»Flickenteppich an Regeln, die die Menschen nicht verstehen«

Der NRW-Ministerpräsident musste sich in Israel in Quarantäne begeben. Foto: IMAGO/Political-Moments

Herr Ministerpräsident, Sie wurden während Ihres Besuchs in Israel positiv auf Corona getestet und stecken nun in Jerusalem fest. Wie geht es Ihnen, und wissen Sie schon, wie lange Sie noch in Quarantäne bleiben müssen?
Mir geht es gut. Es kann sich ändern, aber ich habe aktuell keine Symptome und bin voll arbeits- und einsatzfähig. Aber es ist wirklich sehr schade, denn die Reise nach Israel war und ist mir sehr wichtig. Ich hatte ein volles Programm mit vielen wichtigen Terminen, das ging jetzt nur mit meiner digitalen Teilnahme, etwa als wir eine Plattform gestartet haben, die israelische und deutsche Unternehmen zusammenbringt. Wie lange ich hier bleibe, weiß ich noch nicht genau. Ich richte mich aber darauf ein, noch einige Tage aus der Isolation zu arbeiten. Das klappt sehr gut. 

Welche Quarantäneregeln finden dort Anwendung, die israelischen oder die deutschen?
Es gelten hier vor Ort in Israel selbstverständlich die örtlichen, die israelischen Vorgaben, an die ich mich halte.

In Deutschland sollen in ein paar Tagen die meisten Corona-Vorschriften entfallen; manche sprechen von einem »Freedom Day«. Ist das angesichts der steigenden Inzidenzen nicht unvorsichtig?
Wir haben in der letzten Runde der Regierungschefs einstimmig beschlossen, dass wir über den März hinaus ein Basisschutzpaket brauchen und auch, um welche Maßnahmen es dabei gehen soll. Jetzt hat der Bund einen Entwurf zum geänderten Infektionsschutzgesetz vorgelegt, der diesen Erfordernissen nicht entspricht. Basisschutzmaßnahmen und bewährte Instrumente der Pandemiebekämpfung werden abgeschafft, stattdessen zeichnet der Entwurf jetzt einen Flickenteppich an Regeln vor, den die Menschen kaum verstehen werden. Wir hatten auch vereinbart, dass es nochmals eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern dazu gibt. Die hat leider nicht stattgefunden.

Wer trägt die Schuld daran?
Der Bund trägt nun die Verantwortung dafür, wie es weitergeht. Das bringen einige Länder auch klar zum Ausdruck. Viele Verantwortliche vor Ort hoffen, dass die SPD-geführte Ampel im Bund doch noch im parlamentarischen Verfahren in diesen Tagen auf einen umsichtigen und vorausschauenden Kurs einschwenkt. Corona ist nicht einfach vorbei, weil man es sich wegwünscht – das zeigen die aktuellen Infektionszahlen ja sehr deutlich.

Werden Sie von Ihrem Hotel in Jerusalem aus in den nächsten Tagen die Amtsgeschäfte führen?
Ich versuche, so viele Termine wie möglich über Video oder Telefon wahrzunehmen und arbeite jetzt quasi aus dem Homeoffice – das ist ein Umstand, mit dem in den vergangenen Monaten schon Millionen Menschen klargekommen sind.

Der Besuch in Israel war Ihre erste Reise als NRW-Ministerpräsident ins nichteuropäische Ausland. Was hat Sie motiviert, ausgerechnet dorthin zu reisen?
Die tiefe Verbundenheit und Freundschaft zu Israel gehört zur DNA Nordrhein-Westfalens. Seit den 60er-Jahren pflegen unsere Länder besondere Beziehungen zueinander, und jede Landesregierung hat an deren Vertiefung mitgewirkt. Auch mir ist es wichtig und ein persönliches Anliegen, diese Verbindung zu Israel weiter zu intensivieren – aus historischer Verantwortung, aber ebenso, um gemeinsam Chancen für eine bessere Zukunft für die Menschen beider Länder zu nutzen.

Sie waren auch in der Gedenkstätte Yad Vashem. Welche persönlichen Eindrücke haben Sie dort bekommen?
Orte wie dieser halten die Erinnerung an die dunkelsten Stunden deutscher Geschichte und die Menschheitsverbrechen der Schoa wach. Dieser Ort und das Erinnern an jedes einzelne Opfer berührt mich tief im Herzen. Aus dieser Berührung muss immer wieder neu die Kraft erwachsen, jüdisches Leben zu schützen und lebendig zu halten. Das gilt insbesondere in einer Zeit, in der vermeintliche Gewissheiten wie »Nie wieder Krieg in Europa« ihre Gültigkeit verlieren. Die Worte »nie wieder«, die so eng mit diesem Ort verbunden sind, dürfen keine leeren Hüllen sein. Die Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen der Schoa mahnt und verpflichtet, unsere Stimme zu erheben gegen Antisemitismus, Hass und Krieg. Und sie ist zugleich entscheidend für ein gutes Zusammenleben in Gegenwart und Zukunft.

Die Fragen an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Politiker stellte Michael Thaidigsmann.

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben massive Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Prozess

Opfer des Attentats am Holocaust-Mahnmal hörte »Allahu akbar«-Ruf

Dem spanischen Touristen Iker M. wurde im Februar von einem 19-jährigen Syrer beim Besuch des Berliner Holocaust-Mahnmals mit einem Messer in die Kehle geschnitten. Vor Gericht berichtete er von Angstzuständen, die er seitdem hat

 03.12.2025

Nach Eklats

Präsidentin der TU Berlin abgewählt

Sie war einst im Beraterkreis des damaligen Kanzlers Olaf Scholz und sorgte immer wieder für Kontroversen. Nun ist Geraldine Rauch als TU-Präsidentin abgewählt. Ihre Nachfolgerin ist keine Unbekannte

 03.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  03.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Verteidigung

Merz und Pistorius nicht bei Einführung von »Arrow 3«

Die Bundesregierung hatte immer wieder betont, wie wichtig das israelische Raketenabwehrsystem für Deutschlands Sicherheit sei

 03.12.2025

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert