Meinung

Erinnerung braucht die richtigen Worte

Das Wort »Schoa« könnte aus französischen Schulbüchern verschwinden, bald wäre dann nur noch von »Vernichtung« die Rede. Davor hat der Regisseur Claude Lanzmann jüngst in einem Zeitungsbeitrag gewarnt. Mittlerweile hat der französische Bildungsminister zwar klargestellt, dass kein offizieller Text die Benutzung des Wortes »Schoa« im Unterricht verbietet. Das Risiko der Bagatellisierung der Schoa besteht jedoch weiterhin fort.

besonderheit Daher muss das von den Nazis vorangetriebene Ausrottungsprojekt, das zuvorderst und in überwältigendem Maße die Juden betraf, in seiner Besonderheit im Bewusstsein bewahrt werden. Die Verteidigung der Erinnerung und der historischen Wahrheit, die sich in dem Begriff »Schoa« ausdrückt, geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem oftmals Gleichsetzungen mit dem Konflikt im Nahen Osten angestellt werden.

Das sind wichtige Probleme, doch wir sollten nicht vergessen, dass seit den 90er-Jahren in französischen Schulen bemerkenswerte Fortschritte erzielt werden konnten. Die Schoa wurde in Frankreich im Unterricht noch nie ausführlicher und besser vermittelt als heute. Der Zweite Weltkrieg wird in der fünften, in der neunten und in der elften Klasse behandelt. Auf die Schoa wird in jeder dieser Einheiten unter Rücksichtnahme auf die Reife und Sensibilität der Schüler eingegangen.

Viele Lehrer engagieren sich außerdem aus eigenem Antrieb und organisieren Begegnungen mit Zeitzeugen oder Studienreisen nach Auschwitz. Auch das Denkmal der Schoa in Paris empfängt viele Schülergruppen und bietet interessierten Lehrern eine spezielle Weiterbildung an. Schließlich nehmen auch die jüdischen Schulen mehr und mehr an der Erinnerungsarbeit teil. All dies gibt eher Anlass zur Ermutigung.

Der Autor ist Generaldirektor der Fondation pour la Mémoire de la Shoah in Paris.

Essay

Ausweg Palästina

Große Teile der Linken sind mit der Komplexität der Gegenwart überfordert. Orientierung suchen sie ausgerechnet im Hass auf den jüdischen Staat. Mit progressiver Politik hat das wenig zu tun

von Jessica Ramczik, Monty Ott  13.09.2025

Sachsenhausen

120 Minuten Holocaust

Angesichts des grassierenden Antisemitismus sollen Schüler zum Besuch einer NS-Gedenkstätte verpflichtet werden. Doch was kann eine Führung vor Ort tatsächlich bewirken?

von Mascha Malburg  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Kommentar

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat: Ausladung Shanis ist »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025