Berlin

»Ein Meister des Wortes«

Bei der Preisübergabe am Donnerstagabend: Norbert Lammert (2.v.l.) mit Zentralratspräsident Josef Schuster (2.v.r.) sowie den Vizepräsidenten Mark Dainow (l.) und Abraham Lehrer (r.) Foto: Gregor Zielke

Am Donnerstagabend ist im Jüdischen Museum Berlin der Leo-Back-Preis an den früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert verliehen worden. In seiner Begrüßungsrede würdigte Zentralratspräsident Josef Schuster Lammerts jahrzehntelanges »Engagement für die Demokratie, für seine eindrücklichen Worte in den Festakten des Bundestags am Holocaust-Gedenktag und für sein glaubwürdiges Eintreten für die deutsch-israelische Freundschaft«.

Wie kaum ein anderer Politiker sei Lammert »ein Meister des Wortes, ein Künstler der Sprache«, der seine Ansichten mit eindringlicher Klarheit auf den Punkt bringe – »geschliffen, aber nicht gefällig«.

demokratie Vor allem aber würdige der Zentralrat Lammerts »immerwährendes Eintreten für die Werte unseres Grundgesetzes«, sagte Schuster. So habe Lammert in seiner Rede im Jahr 2015 vor der Knesset, dem israelischen Parlament, seine Dankbarkeit über das jüdische Leben, das in Deutschland wiedererstanden sei, mit den Worten zum Ausdruck gebracht: »Dies ist die schönste Vertrauenserklärung, die es für die zweite deutsche Demokratie gibt.« Dass die jüdische Gemeinschaft dieses Vertrauen entwickeln konnte, »liegt auch an Menschen wie Ihnen«, betonte Schuster.

Die anschließende Laudatio auf den Preisträger hielt der Schriftsteller Navid Kermani. Auch er hob die treffsicheren Wortbeiträge des früheren Parlamentspräsidenten hervor. So erinnerte der Schriftsteller etwa an »die typischen Lammert-Pfeile, unvorhergesehen und wie aus dem Handgelenk geschossen, die die Abgeordneten, die Fraktionsführungen und die Regierung, die nun einmal aufs Funktionieren ausgerichtet ist, zwölf Jahre lang ein ums andere Mal aufschreckten, zu besseren Erklärungen anstachelten, aus ihrer Bequemlichkeit weckten«.

stolz Er habe Norbert Lammert einmal gefragt, auf welche Leistung als Bundestagspräsident er besonders stolz sei, erzählte Kermani. Ohne zu zögern, habe Lambert geantwortet: »Auf den Birkenau-Zyklus« – und meinte damit die vier großflächigen Bilder, die Gerhard Richter dem Bundestag geschenkt hat und die in der Eingangshalle gegenüber dem Richter-Bild »Schwarz Rot Gold« hängen. In der Gegenüberstellung von beidem, Nationalfarben und dem Sinnbild für das größte, unauslöschliche Verbrechen der Deutschen, drücke sich ein künstlerisches Selbstverständnis der Bundesrepublik aus, wie er sie sehe, habe Lammert damals gesagt.

Seine Dankesrede beginnt Norbert Lammert mit einem Zitat von Leo Baeck. »Die Geschichte der deutschen Juden ist zu Ende, die Uhr kann nicht zurückgedreht werden.« Dass mehr als 70 Jahre nach der Schoa die jüdische Gemeinschaft in Deutschland heute die drittgrößte in Europa sei, sei eine der »wundersamsten Erfahrungen in der Geschichte der Menschheit«, sagte Lammert.

Dies gelte auch für die deutsch-israelischen Beziehungen. Dabei betonte Lammert, dass eine Zukunft dieser Beziehungen nicht möglich sei, ohne über die Vergangenheit zu reden. »Auschwitz ist eine deutsche Erfindung, deshalb ist Antisemitismus in Deutschland immer etwas anderes als woanders.«

preisträger Mit dem Leo-Baeck-Preis, der an den liberalen Rabbiner Leo Baeck (1873–1956) erinnert, ehrt der Zentralrat der Juden Persönlichkeiten, die sich in herausragender Weise um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben.

Zu den Preisträgern gehören die Bundespräsidenten a. D. Richard von Weizsäcker (1994), Roman Herzog (1998) und Christian Wulff (2011), Bundeskanzlerin Angela Merkel (2007) und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. 2015 erhielt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck den Preis. Die seit 1957 vom Zentralrat vergebene Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert.

Mehr dazu lesen Sie in unserer nächsten Printausgabe.
Weitere Informationen zum Leo-Baeck-Preis finden Sie hier: www.zentralratdjuden.de/leo-baeck-preis

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Kairo

Ägypten: Angeblich Pläne für USA-Reise von Präsident al-Sisi

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sollen Israels Premier und Ägyptens Staatschef keinen Kontakt gehabt haben. Wird sich al-Sisi mit Hilfe eines Gas-Deals zu einem Treffen in den USA bewegen lassen?

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Australien

Polizei in Sydney stoppt Verdächtige – Pläne vereitelt?

Nur wenige Tage nach den tödlichen Schüssen an Sydneys weltberühmten Bondi Beach gibt es einen Einsatz von Anti-Terror-Einheiten. Die Verdächtigen sollen auf dem Weg zum Strand gewesen sein

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Thüringen

Klage der rechtsextremen AfD gegen Verfassungsschutzchef teils erfolgreich

In einem Punkt wurde den Klägern recht gegeben, in zwei anderen nicht. Es geht um Äußerungen von Stephan Kramer in einem Medienbericht

 18.12.2025

Verbundenheit

Chanukka und Advent: Licht gegen den Hass

Im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland versichert die Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehr der jüdischen Gemeinschaft ihren Beistand und ihre Solidarität

von Bischöfin Kirsten Fehrs  18.12.2025

Landgericht Berlin

Gericht: »From the River to the Sea« ist Aufruf zur Judenvernichtung

Die 2. Große Strafkammer des LG Berlin I hat einen Mann wegen der Verwendung der Parole zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun muss wohl der Bundesgerichtshof ein abschließendes Urteil fällen

 18.12.2025