11. September

Der Angriff

Bis zu den Anschlägen wähnte man sich hier sicher: New York am 11. September 2001 Foto: Reuters

Die Attentate des 11. September 2011 haben die Welt verändert – auch die jüdische. Der Angriff islamistischer Terroristen galt nicht nur den Menschen, die starben oder verletzt und traumatisiert wurden. Er galt auch nicht nur einem Land, USA, sondern einem Wertesystem.

Es war ein Angriff auf die westliche Lebensweise und auf deren Kernelement – die Freiheit. Der Anschlag auf die Zwillingstürme in Manhattan war ein bewusst symbolischer Akt, gegen Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, wirtschaftliche Freiheit und Wahlfreiheit.

Für Juden hat New York City eine herausragende Bedeutung. Knapp zwei Millionen Menschen zählt die jüdische Gemeinschaft. Jüdische Intellektuelle, Künstler und Unternehmer haben die Stadt mit aufgebaut und geprägt – auch als Hafen der Freiheit.

New York Der Antisemitismus Anfang des 20. Jahrhunderts und das Nazi-Regime trieb viele europäische Juden nach New York. Aber auch heute noch suchen und finden Juden hier ein Maß an Freiheit und Sicherheit, das ihnen die meisten anderen Länder nicht gewähren wollen oder können.

Obgleich es genügend Warnungen gab: Niemand in Amerika rechnete vor dem 11. September 2001 ernsthaft damit, dass New York oder eine andere Stadt von einer solch brutalen Anschlagsserie heimgesucht werden würde. Man wähnte sich sicher in dieser Metropole – gerade als Jude, der doch überall sonst auf der Welt Anfeindungen ausgesetzt ist. Dieses Gefühl ist seitdem verschwunden.

Sicher, die 9/11-Attentate galten nicht in erster Linie den Juden. Aber man sollte nicht vergessen, dass Al Qaida und Co. anderswo immer wieder gezielt jüdische Stätten ins Visier genommen haben. Der blindwütige Zorn islamistischer Terrorgruppen richtet sich auch und gerade gegen den Staat Israel, der – nicht zu Unrecht – als Brückenkopf westlicher Werte im Nahen Osten angesehen wird.

Islamisten Es ist kein Zufall, dass der 11. September 2001 den USA galt. Zum einen personifiziert dieses Land wie kein zweites die westliche Kultur und jene Werte, die die Islamisten so verabscheuen. Zum anderen ist Amerika auch Israels treuester Verbündeter.

Wie auch bei den Anschlägen in Madrid 2004 und London 2005 sollte in strategisch wichtigen Ländern die Bevölkerung terrorisiert und indirekt eine Stimmung erzeugt werden, dass westliche Werte (und westliches Engagement) in der islamischen Welt nichts zu suchen haben.

Hat das in Wahrheit vielleicht gar funktioniert? Es ist doch bezeichnend: Fast im gleichen Maß, wie der islamistische Terrorismus in den vergangenen zehn Jahren zugenommen hat, ist die Bereitschaft in einigen westlichen Ländern gesunken, Is-
rael gegen ebendiese Feinde zur Seite zu stehen. Mit einer wichtigen Ausnahme: die Vereinigten Staaten von Amerika.

Wir Juden haben im Laufe unserer Geschichte eine besondere Sensibilität entwickelt und spüren schnell, wenn Maßstäbe verschoben werden, wenn Hass heruntergespielt und vorgeschobene Friedfertigkeit für bare Münze genommen wird, obwohl in Wahrheit der Terrorismus nicht besiegt ist. Die Anschläge im Süden Israels vor drei Wochen zeigen das sehr deutlich.

Anschlag Der 11. September 2001 gehört aufgrund seiner Dimension in die Reihe der geschichtlichen Ereignisse, aus denen wir alle lernen müssen. Vor zehn Jahren wurde jedem endgültig klar, dass man nirgendwo auf der Welt vor Terroranschlägen sicher sein kann.

Nach wie vor sind Juden oft die Ersten, die ins Visier der Extremisten geraten – nicht nur der islamischen. Erst vor wenigen Monaten konnte ein geplantes Attentat auf die jüdische Gemeinde in New York in letzter Minute von der Polizei verhindert werden. Gerade die sechs Millionen Juden in Israel leben in ständiger Angst vor Terroranschlägen, und in vielen Ländern brauchen jüdische Einrichtungen und führende Vertreter der Gemeinden ständigen Polizeischutz.

Es gilt aber, die Fahne der Freiheit weiter hochzuhalten, sich nicht einschüchtern zu lassen und den Terroristen und ihren Wegbereitern keinen Fußbreit nachzugeben. Nach 9/11 war die Welle der Solidarität mit Amerika weltweit groß, man sagte den Terroristen und ihren Hintermännern entschlossen den Kampf an. Heute stellt sich die Frage, ob dieser internationale Beistand für alle gilt, nur nicht für den jüdischen Staat.

Selbst im Westen rechtfertigen viele die blutigen Terroranschläge mit der »Besatzungspolitik« und sprechen Israel das Recht ab, sich gegen den Terrorismus zu verteidigen und seine Bevölkerung zu schützen.

Man muss daher Lippenbekenntnisse – von denen es nach dem 11. September 2001 viele gab – von echter Solidarität un-
terscheiden. Und dennoch gilt: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Auch in New York geht der Western Way of Life schließlich weiter – den Anschlägen zum Trotz. Das ist ein starkes Signal und die beste Antwort auf den Terrorismus.

Der Autor ist Präsident des Jüdischen Weltkongresses.

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  08.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 08.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei musste die Besetzung beenden

 07.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Berlin

Sarah Wedl-Wilson räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

Wurden Gelder für Projekte gegen Antisemitismus rechtswidrig verteilt? Das werfen Grüne und Linke der Kultursenatorin vor. Nun äußert sie sich

 07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025