UNO

Berlin für Jerusalem

Außenminister Heiko Maas nach seinem diplomatischen Erfolg am 8. Juni Foto: imago/photothek

UNO

Berlin für Jerusalem

Deutschland wurde in den Sicherheitsrat gewählt und will dort auch israelische Interessen vertreten

von Michael Thaidigsmann  19.06.2018 00:04 Uhr

Gleich dreimal war Heiko Maas in seiner kurzen Amtszeit als deutscher Außenminister bereits in New York, um die Werbetrommel zu rühren. Deutschland wollte nämlich in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Klassikkonzerte für geladenes Publikum und sogar ein Fußballkick mit Lothar Matthäus und UN-Botschaftern wurden in New York veranstaltet. Am Ende war der Minister erfolgreich: 184 der 193 UN-Mitgliedstaaten stimmten am 8. Juni für Deutschland. Selten zuvor hatte Berlin mehr Aufwand betrieben, um in ein solches Gremium gewählt zu werden.

Jedes Jahr werden fünf der zehn nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat neu besetzt. Drei davon sind für Afrika, Lateinamerika und Asien reserviert, zwei für die Länder der Gruppe der Westeuropäer und anderer (WEOG), der neben vielen EU-Ländern auch Australien, Israel, Kanada, Neuseeland, die Schweiz und die Türkei angehören. Darüber hinaus verfügen China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA über einen ständigen Sitz mit Vetorecht im Sicherheitsrat.

rückzieher In der WEOG hatten Belgien, Deutschland und Israel ihre Kandidatur angemeldet. Anfang Mai zog Israel aber überraschend zurück und machte so den Weg frei für die beiden Mitbewerber, die von der UN-Vollversammlung zu nichtständigen Mitgliedern des Rates bestimmt wurden.

Das Auswärtige Amt verlautbarte sogleich, der israelische Rückzug sei ein »weiterer Ansporn für uns, für die Interessen und die Sicherheit unserer israelischen Freunde einzustehen«. Was das konkret heißt und wie sich das im komplexen UN-Räderwerk auswirken könnte, dazu war in Berlin nicht viel zu hören.

Ein gutes Drittel der UN-Mitgliedstaaten, darunter Israel, saß noch nie im Sicherheitsrat. Deutschland hingegen wurde nun bereits zum sechsten Mal seit seinem UN-Beitritt 1973 hineingewählt. Ursprünglich gab es Hoffnung, die WEOG werde Israel, das der Gruppe seit 2013 angehört, unangefochten ins Rennen schicken. Doch die Chancen des jüdischen Staates, angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Vollversammlung eine Zweidrittelmehrheit zu erlangen, wurden wohl als zu gering eingeschätzt.

blauhelme Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der UN. Nur er darf laut UN-Charta militärische Maßnahmen gegen ein Land autorisieren oder Blauhelmsoldaten entsenden. Doch was macht eine zweijährige Mitgliedschaft so erstrebenswert?

Da ist zum einen die zentrale Rolle des Landes zu nennen, das den rotierenden Vorsitz im Sicherheitsrat führt und damit starken Einfluss auf die Tagesordnung des Gremiums ausüben kann. Darüber hinaus können die Mitglieder des Rates eine Debatte über ihnen wichtige Themen herbeiführen.

Da Abstimmungen im Sicherheitsrat offen sind und die Mehrheit entscheidet, solange keines der ständigen Mitglieder ein Veto einlegt, sind auch nichtständige Mitglieder zwei Jahre lang wichtige Player in der UN-Diplomatie.

prestige Es geht um Prestige und darum, ob man bei den UN zu den Arrivierten zählen darf. In diesen illustren Kreis hat Deutschland es nun geschafft, Israel hingegen noch nicht. Es geht aber noch um mehr: Deutschland wolle »bei Fragen der Krisenprävention, der Friedenssicherung und der Stabilisierung« eine »wichtige Rolle« spielen, versprach Heiko Maas in seiner Bewerbungsrede vor der Vollversammlung im April.

Ob Deutschlands Stimme Gehör finden wird und auch, ob Berlin bei den UN wirklich im Sinne Israels agieren kann, wie es Maas versprochen hat, erscheint bislang unklar. Zu komplex ist die Lage in vielen Konflikten, zu stark sind die Verwerfungen zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, als dass Deutschland hier Entscheidendes verändern könnte.

Viel wahrscheinlicher erscheint, dass Deutschland nur im Konzert mit seinen EU-Partnern handeln wird. »Mir ist es ganz besonders wichtig, dass die deutsche Stimme im Sicherheitsrat auch eine europäische Stimme sein wird. Denn es wird viel davon abhängen, inwieweit die Europäische Union in der Lage ist, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu machen«, sagte Maas jüngst.

Im Hinterkopf wird der Minister wohl auch das Jahr 2011 haben, als Deutschland zum letzten Mal Mitglied des Sicherheitsrates war und sich in einer wichtigen Abstimmung zu Libyen der westlichen Position verweigerte und gemeinsam mit Russland und China der Stimme enthielt.

enthaltung Seitdem ist das Bemühen Berlins erkennbar, in zentralen Entscheidungen nicht mehr aus dem EU-Konsens auszuscheren. So enthielten sich Deutschland und seine EU-Partner vergangene Woche in der UN-Vollversammlung der Stimme, als es um die Verabschiedung einer Resolution ging, die Israel wegen »exzessiver, unverhältnismäßiger und wahlloser Gewalt« im Gazastreifen verurteilte. 120 UN-Mitgliedsländer votierten dafür, nur acht dagegen. Ein Antrag der USA, die Hamas für ihre Gewalt gegen Israel zu verurteilen, scheiterte.

Dennoch erscheint es vorstellbar, dass Berlin – und gerade Heiko Maas, der von sich sagt, er sei »wegen Auschwitz« in die Politik gegangen – am Ende geneigt sein könnte, dem »Israel-Bashing« bei den Vereinten Nationen zumindest symbolisch etwas entgegenzusetzen und tatsächlich Israels Sicherheitsinteressen stärker zu berücksichtigen. Das würde allerdings einen gewissen Mut zum Alleingang voraussetzen.

Carsten Ovens

Israel verteidigt sich – und schützt die Region

Warum der Angriff auf iranische Atomanlagen notwendig war – und was Europa daraus lernen muss

von Carsten Ovens  15.06.2025

Krieg

Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel ab: Mehrere Tote

Die Mullahs holen erneut zu einem Angriff auf den jüdischen Staat aus

 15.06.2025 Aktualisiert

Meinung

Nie wieder Opfer!

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen war unausweichlich. Denn eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte lautet: Wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden

von Michael Wolffsohn  14.06.2025

Thüringen

Verfassungsschutzchef warnt vor islamistischen Anschlägen gegen jüdische und israelische Einrichtungen

Kramer: Wir müssen davon ausgehen, dass die Hemmschwelle weiter sinken wird, auch gewalttätig zu werden

 13.06.2025

Gerhard Conrad

»Regime Change im Iran wäre noch wichtiger als die Zerstörung der Atomanlagen«

Der Ex-BND-Geiselunterhändler und Nahostexperte zum israelischen Militärschlag gegen den Iran und die Konsequenzen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  13.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025

Angriff auf Iran

Dobrindt hält Israels Angriff für richtig

Die Operationen seien Israels Sicherheit dienlich, sagt der deutsche Innenminister. Die Sicherheitsbehörden wappnen sich für mögliche Folgen in Deutschland

 13.06.2025

Bundesregierung

»Das Ziel muss sein, dass Iran keine Nuklearwaffen entwickelt.«

Regierungssprecher Stefan Kornelius äußerte sich in Berlin zum israelischen Angriff auf Ziele im Iran und dem Recht Israels auf Selbstverteidigung

 13.06.2025