Einspruch

Asche auf das deutsche Haupt

Sergey Lagodinsky Foto: Gregor Zielke

Einspruch

Asche auf das deutsche Haupt

Sergey Lagodinsky ist über die »Kunstaktion« vor dem Reichstag und die Instrumentalisierung toter Juden empört

von Sergey Lagodinsky  04.12.2019 14:05 Uhr

Ich halte wenig von Empörungswellen gegen Kunstaktionen oder von anmaßenden Urteilen, ob etwas Kunst oder keine Kunst sei. Doch beim »Mahnmal« des Zentrums für Politische Schönheit handelt es sich um mehr als ein Kunstwerk.

Die Ambitionen gehen weiter – es geht um den Anspruch, erinnerungspolitische Maßstäbe zu setzen. Die Künstler wollen, dass ihr Werk für immer gegenüber dem Reichstag bleibt, getragen von politisch bewussten Bürgerinnen und Bürgern. Die Presse urteilt über das Kunstwerk nicht als Kunstwerk, sondern als Akt politischer Selbstarbeit unserer Gesellschaft.

grenzen Und hier überschreiten wir Grenzen einer Kunstdiskussion und fragen nach dem Umgang unserer Gesellschaft mit toten und lebendigen Juden: Man stelle sich vor, wir würden mitten in Treptow eine Kapsel mit Asche und Knochen der sowjetischen Soldaten öffentlich zur Schau stellen, oder die Nachbildung von Kopfschwarten geschlachteter Uramerikaner oder Skeletten der ermordeten Armenier. Schwer vorstellbar!

Das hat wenig mit pietätvollem Gedenken zu tun, vielmehr mit Selbstaufrüttelung der Täter-Nachfahren.

Doch es ist vorstellbar, so zu tun, als würde die öffentliche Schau der jüdischen Asche eine Erinnerungsfunktion erfüllen. Das hat wenig mit pietätvollem Gedenken zu tun, vielmehr mit Selbstaufrüttelung der Täter-Nachfahren. In diesem Falle ohne Rücksicht auf die Opfer und ihre Familien.

instrument »Jüdische Asche« ist in Deutschland längst ein pädagogisches Instrument geworden. Und aus dieser Funktion kommen wir immer noch nicht raus. Juden mögen dieses Land und dessen Kultur selbstbewusst aufgebaut haben: von Kunst bis zur Wirtschaft. Aber in Erinnerung bleiben sie als Asche. Nein, nicht die Errungenschaften der Toten werden ausgestellt, nicht die Gaskanister der Täter, sondern die Knochen der Opfer.

Im Jüdischen Museum geht man damit kreativ um und zeigt die Leerräume, die das vernichtete europäische Judentum hinterlassen hat. Dabei wird klar, dass in diesen Leerräumen Menschen waren, die selbstbewusst und würdevoll einen Platz in dieser Gesellschaft hatten und immer noch fehlen.

»Jüdische Asche« ist in Deutschland längst ein pädagogisches Instrument geworden.

Dieses Ausstellen von Nichts ist viel deutlicher und viel würdevoller als das Zeigen von Etwas, wenn dieses Etwas Menschen zur Asche verpulverisiert, ihnen das zweite Mal die Menschenwürde nimmt, sie auf Staub reduziert, ihre Nacktheit dadurch schändet, dass diese Nacktheit ihrer Knochen und ihrer zersetzten Moleküle gezeigt wird.

Meine lange Befürchtung wird bestätigt: Erinnerung an jüdische Menschen dient in Deutschland schon lange einem einzigen Zweck – eine Lehre für Deutsche zu sein. Eine Lehre und eine Entlastung. Mit Schockern des 21. Jahrhunderts will das Zentrum für Politische Schönheit die Erinnerungskultur noch weiter dahin drehen, wo sie nicht hingehört: sich als Gesellschaft besser zu fühlen, weil wir uns über die Täter erheben und immer auf die anderen zeigen können.

Der Autor ist Abgeordneter der Grünen im Europaparlament.

Iran

Iran: Geheimdienstchef der Revolutionsgarden und sein Vize getötet

Israel hat seit Beginn des Krieges mit dem Iran bereits etliche führende Militärs getötet. Nun sind bei einem weiteren Angriff Geheimdienstvertreter der nationalen Eliteeinheit getötet worden

 15.06.2025

Berlin

Merz sagt Israel Hilfe zu und bekennt: Iran darf niemals über Atomwaffen verfügen

Deutschland wappne sich zudem für den Fall, dass der Iran israelische oder jüdische Ziele hierzulande ins Visier nehmen sollte

 15.06.2025

Verbraucher

Krieg zwischen Israel und Iran treibt Benzinpreis

Seit dem Angriff auf iranische Atomanlagen und Militärziele steigen die Rohölpreise und in der Folge auch die Spritpreise

 15.06.2025

Diplomatie

Außenminister Wadephul spricht mit israelischem Kollegen Saʼar

Statt des für heute geplanten Besuchs in Jerusalem telefonieren die beiden

 15.06.2025

Doha

Krieg zwischen Israel und Iran: Wadephul will »Kompromiss« finden

Innerhalb der nächsten Woche müsse der ernsthafte Versuch unternommen werden, »die Spirale der Gewalt« zu unterbrechen, sagt der Bundesaußenminister

 15.06.2025

Berlin

Erneuter antisemitischer Angriff auf Neuköllner Kulturkneipe

14-Jähriger soll Pflasterstein geworfen haben. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt

 15.06.2025

Meinung

Israel verteidigt sich – und schützt die Region

Warum der Angriff auf iranische Atomanlagen notwendig war – und was Europa daraus lernen muss

von Carsten Ovens  15.06.2025

Krieg

Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel ab: Mehrere Tote

Die Mullahs holen erneut zu einem Angriff auf den jüdischen Staat aus

 15.06.2025 Aktualisiert

Meinung

Nie wieder Opfer!

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen war unausweichlich. Denn eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte lautet: Massenmörder und ihre Auslöschungsankündigungen müssen ernst genommen werden

von Michael Wolffsohn  14.06.2025