Antisemitismus

2171 Straftaten zuviel

Volker Beck Foto: Angelika Kohlmeier

Antisemitismus ist in Deutschland trauriger Alltag, das belegt die Antwort der Bundesregierung auf meine jüngste Anfrage. 2171 antisemitische und antiisraelische Straf- und Gewalttaten erfasste der kriminalpolizeiliche Meldedienst bei der politisch motivierten Kriminalität (PMK) im letzten Jahr, 2013 waren es noch 1316 Fälle. Insbesondere die Zahl antiisraelischer Straftaten explodierte in Folge des Gaza-Krieges um das Vierzehnfache: von 41 Fällen 2013 auf 575 Fälle 2014. Von diesen gingen 460 auf das Konto sogenannter PMK-Ausländer und -Sonstige, worunter auch muslimisch beziehungsweise arabisch geprägte Menschen mit und ohne deutschen Pass erfasst werden. Was Antisemitismus angeht, verzeichnet diese »PMK-Ausländer und -Sonstige« ebenfalls einen dramatischen Anstieg.

verantwortung Jetzt sind die deutschen muslimischen Verbände und migrantischen Selbstorganisationen in der Verantwortung, dieses Problem aufzuarbeiten. Ausreden gibt es nicht. Denn Antisemitismus darf in unserem Land genauso wenig toleriert werden wie Homophobie, Rassismus oder Muslimfeindlichkeit. Und die Bundesregierung ist in der Pflicht, sie dabei zu unterstützen und Hilfe anzubieten, denn am Handlungsbedarf gibt es keinen Zweifel.

Aber wenn wir es mit dem Kampf gegen Antisemitismus ernst meinen, müssen wir auch ehrlich sein: Von insgesamt 2171 dieser Straftaten gingen im letzten Jahr 1430 auf das Konto Rechtsextremer. Weitere 34 Taten kamen von Links. Trotzdem scheint für konservative »Biodeutsche« die Sache trotzdem klar zu sein: Das Problem sind die Migranten, mit denen der Antisemitismus nach Deutschland einwandert. Doch diese Sicht ist ideologisch verkürzt, wenn nicht gar ein perfider Versuch deutscher Schuldumkehr: Antisemitisch, das sind jetzt die anderen. Denn »wir hatten geglaubt, davon geheilt zu sein«, wie Gunnar Schupelius am Montag in seiner »B.Z.«-Kolumne über »importierten Antisemitismus« schrieb.

Zugegeben, nicht weniger töricht wäre es, so zu tun, als gäbe es diesen rasanten Anstieg von Antisemitismus unter Migranten nicht. Doch statt mit dem Zeigefinger nur auf eine Gruppe zu zeigen oder Probleme schönzureden, müssen wir einen Blick für das Ganze entwickeln. Schon lange wissen wir, dass jeder fünfte Deutsche latent antisemitisch ist. Das Problem besteht also nicht nur an vermeintlich politisch extremen Rändern, es zieht sich durch alle Teile unserer Gesellschaft.

Der Autor ist Bundestagsabgeordneter der Grünen.

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025