Rückblende

1948: Fritz Kortner, »Der Ruf« und die deutsch-jüdische Remigration

Von den fast 500.000 vertriebenen deutschsprachigen Juden kehrten nach 1945 weniger als fünf Prozent zurück, meist aus Weltgegenden, die während des Krieges die letzten gerade noch zugänglichen Zufluchtsstätten gewesen waren: Shanghai und Bolivien, Venezuela und Ostafrika. Andere kamen in fremden Uniformen. Der heutige Nürnberger Gemeindevorsitzende Arno Hamburger etwa gelangte mit der Jüdischen Brigade der britischen Armee aus Palästina über Italien in seine fränkische Heimatstadt, wo er auf dem Jüdischen Friedhof seine Eltern versteckt vorfand. Der ehemalige Mitherausgeber der »Welt am Sonntag«, der aus Augsburg stammende Ernst Cramer, kehrte mit der US-Army zurück, ebenso der spätere Münchner Gemeindevorsitzende Hans Lamm.

Unter den Rückkehrern befanden sich auch einige prominente Namen, wobei die meisten Intellektuellen als überzeugte Sozialisten eher in die sowjetische Besatzungszone gingen. Im Westen gehörten zu den prominentesten Remigranten die Neubegründer der »Frankfurter Schule«, Max Horkheimer und Theodor Adorno.

warnungen Vor allem aber kamen Schauspieler zurück, die mehr als alle anderen auf die deutsche Sprache angewiesen waren. Der bekannteste war wohl der 1892 in Wien geborene Fritz Kortner. Einen Tag nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler hatte sich Kortner auf eine Auslandstournee begeben, von der er erst 1947 wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Gleich nach seiner Rückkehr spielte Kortner die Hauptrolle in dem Film Der Ruf, dessen Drehbuch er auch geschrieben hatte. Er verkörperte den – wie er selbst – aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrten Professor Mauthner, der trotz Warnungen seiner Emigrantenkollegen einen Ruf an seine alte deutsche Universität angenommen hatte. Kaum zurückgekehrt, ist Mauthner bereits mit einem ungebrochenen Antisemitismus und mit dem Neid der von den Alliierten entlassenen ehemaligen Kollegen konfrontiert. Dieser bis heute sehenswerte Film zeigt besser als jedes andere Dokument dieser Zeit, dass es eine radikale »Stunde Null« nicht gegeben hat.

Kortner und seine Frau, die Schauspielerin Johanna Hofer, drückten ihre Zweifel über die Rückkehr nach Deutschland nicht nur im Film, sondern auch in zahlreichen privaten Dokumenten aus. So schrieb Johanna Hofer 1952 an Kortner: »Fritz, wenn du nicht neben mir bist, es ist einfach nicht mehr zu ertragen in Deutschland. Es ist fremd und teuflisch.« Noch 1962 notierte der inzwischen seit Langem in München ansässige Kortner, dass klerikaler Faschismus und Antisemitismus dafür sorgten, »dass kein jüdischer Baum in den Himmel wächst.«

Berlin

Wegen Nietzard-Skandal: Ex-Präsidentin der Jüdischen Studenten verlässt Grüne Jugend

Hanna Veiler sieht bei der Grünen Jugend keinen Platz mehr für sich

 08.06.2025

Interview

»Es findet ein Genozid statt« – »Israel muss sich wehren«

Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad über ihre langjährige Freundschaft, was sie verbindet – und was sie nach dem 7. Oktober 2023 trennt

von Philipp Peyman Engel  08.06.2025 Aktualisiert

Berlin

Nietzard entschuldigt sich für Israel-Video

Erst vor wenigen Tagen sorgte die Grüne-Jugend-Chefin für Empörung. Der Beitrag wurde überarbeitet

 07.06.2025

Glosse

Gretas Törn

Wird es den zwölf Aktivisten, unter ihnen die Klima- und Palästina-Ikone Greta Thunberg, gelingen, Israels Seeblockade zu durchbrechen? Die Welt wartet gespannt

von Michael Thaidigsmann  06.06.2025

Bundestag

SPD-Rufe nach Prüfung von Waffenlieferungen an Israel lauter

Unterschiedliche Positionen zwischen Sozialdemokraten und Union werden immer deutlicher

 06.06.2025

Colorado

Angreifer von Boulder wollte »alle zionistischen Menschen töten«

Mohamed Sabry Soliman wird in 118 Punkten angeklagt

 06.06.2025

Rheinland-Pfalz

»Aus Beutebeständen« - NS-Raubgut in rheinland-pfälzischen Museen

Viele kleine Museen in Rheinland-Pfalz haben bisher nicht danach geforscht, ob NS-Raubgut in ihrem Besitz ist. In den Sammlungen von vier dieser mehr als 400 Museen sah eine Kunsthistorikerin nun genauer nach

von Norbert Demuth  06.06.2025

Washington D.C.

US-Regierung sanktioniert Richterinnen des Strafgerichtshofs

Amerika geht gegen den IStGH vor. Hintergrund ist auch der wegen angeblicher Kriegsverbrechen Israels ausgestellte Haftbefehl gegen Ministerpräsident Netanjahu

 06.06.2025

Berlin

Grüne-Jugend-Chefin nennt Hamas-Massaker »militärische Operation«

Jette Nietzard verharmlost den Terror der Hamas und verbreitet Verschwörungstheorien über Israel. Die JSUD verlangt ihren Rücktritt

von Imanuel Marcus  06.06.2025 Aktualisiert