Es waren Worte, die im politischen Berlin allergrößte Verwunderung und in Jerusalem eine Mischung aus Unglauben und tiefer Enttäuschung auslösten: Hatte der neue Außenminister Johann Wadephul das wirklich gerade gesagt? Plötzlich klang der CDU-Politiker wie eine Mischung aus Björn Höcke (es müsse doch mal Schluss sein mit dem »Schuldkult«) und jenen linksradikalen Demonstranten, die vor dem Auswärtigen Amt seit Monaten »Free Palestine from German Guilt« skandieren.
»Wir werden uns nicht unter Druck setzen und in eine Position bringen lassen, dass wir zu einer Zwangssolidarität gezwungen werden«, betonte Wadephul Ende Mai im Berlin. Waffenlieferungen an den jüdischen Staat könnten fortan durchaus wieder ausgesetzt werden. Berlin im Würgegriff von Jerusalem also?
Bemerkenswert: Kanzler Friedrich Merz kassierte den Vorstoß seines Außenministers nicht, er stärkte ihm sogar noch den Rücken. Erst nach massivem Protest aus der Unionsfraktion revidierte Wadephul seinen Kurs und sicherte Israel jene Unterstützung im Kampf gegen die Hamas zu, die es benötigt und verdient.
Zur Erinnerung: Israel muss sich nach wie vor gegen den Terror an sieben Fronten zur Wehr setzen. Tut es das nicht, ist der jüdische Staat Geschichte. Und: Es gibt keine »Zwangssolidarität«. Kein Staat weltweit wird in Deutschland so oft und so hart kritisiert wie Israel – mal mit guten, mal mit weniger guten Gründen.
All das wissen Merz und Wadephul. Ebenso klar ist, dass sie Kenntnis von den Umfragen haben, wonach 80 Prozent der Deutschen Israels Krieg gegen die Hamas ablehnen. Es drängt sich der Eindruck auf: Entweder waren Wadephul und Merz dazu bereit, mit der jahrzehntelangen außenpolitischen Tradition der Union zu brechen und die deutsch-israelischen Beziehungen auf dem Altar der Meinungsumfragen zu opfern. Oder es bedurfte der Unions-Basis, um sie daran zu erinnern und von diesem kapitalen Fehler abzubringen. Schwer zu sagen, welche der beiden Optionen dem Verhältnis zu Israel und der Glaubwürdigkeit der neuen Regierung weniger schadet.