Eugen El

Pinsel weg von der Synagogentür

Eugen El Foto: Marco Limberg

Es gibt viele Wege, Kunst zu betrachten und darüber nachzudenken – meist gelten dabei ästhetische Kriterien. Jeder kann anhand eines Kunstwerks seinen Begriff vom Schönen (und Hässlichen) schärfen. Zwar sind in der jüngeren Kunst immer wieder spröde Werke anzutreffen, die sich jeglicher Schönheit oder Opulenz verweigern. Doch auch sie können sich einem ästhetischen Blick nicht entziehen.

Massaker Umso abwegiger erscheint der Gedanke, die Tür der Hallenser Synagoge, die am 9. Oktober 2019 den Schüssen eines Rechtsterroristen standhielt, als Kunstwerk zu betrachten. Die Tür, die etwa 50 zum Jom-Kippur-Gottesdienst versammelte Jüdinnen und Juden vor einem Massaker bewahrte, werde voraussichtlich im März ausgetauscht, meldete kürzlich die Deutsche Presse-Agentur.

»Sie soll künstlerisch gestaltet und ausgestellt werden«, hieß es weiter. Die Projektleitung liege bei einer 18-jährigen Frau aus Halle, die als Künstlerin schon länger für die Gemeinde aktiv sei. Die Enthüllung des Kunstwerks sei für den Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge geplant.

Abstraktion Was wird mit der Synagogentür passieren? Wird sie bemalt? Und wenn, wie? Gegenständlich oder abstrakt? Oder wird sie Teil einer raumgreifenden Installation? Wie sollen künftige Betrachter ihre ästhetische Qualität bewerten? An welche Kunstströmung knüpft die Tür samt den Einschusslöchern an? Was ist schön an ihr – und was nicht?

Die Fragen klingen makaber. Damit sie nicht aufkommen, sollten die Verantwortlichen gründlich darüber nachdenken, ob sie die Tür zum Rohstoff für ein zwar gut gemeintes, aber unreflektiertes Kunstprojekt erklären möchten. Denn eigentlich ist die Hallenser Synagogentür ein Mahnmal. Sie steht für sich, und sie spricht für sich. Diese Tür erzählt eine überwältigende Geschichte. Auch ein Gerhard Richter könnte ihrer Qualität als Zeitdokument nichts mehr hinzufügen. Manchmal sollten Künstler die Grenzen ihrer Möglichkeiten erkennen. Vor allem in diesem Fall.

Der Autor ist freier Journalist in Frankfurt.

Kommentar

Die UNRWA ist Teil des Problems - und nicht seine Lösung

Die UNRWA ist Geschichte. So wollte es eine breite Mehrheit in der Knesset. Dieser Schritt war überfällig, berechtigt - und dennoch falsch. Zumindest jetzt

von Georg M. Hafner  12.12.2024

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024

Meinung

Papst Franziskus, Jesus und ein gefährliches Manöver

Die Kirche rüttelt an ihrem eigenen fragilen Fundament, wenn dem Juden Jesus seine Herkunft, seine Abstammung und seine Identität abgesprochen werden

von Daniel Neumann  11.12.2024

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024

Meinung

PEN Berlin war kurz davor, auf der Seite der Feinde Israels zu stehen

Nur knapp konnte verhindert werden, dass die Schriftstellervereinigung eine Resolution annahm, die von glühender »Israelkritik« geprägt war

von Stefan Laurin  10.12.2024

Meinung

Der Papst und sein einseitiges Mitgefühl für Judenfeinde

Das Jesus-Kind in ein Palästinensertuch einzuwickeln zeigt, dass der Vatikan seine Tradition verleugnet, um im Nahostkonflikt Partei zu ergreifen

von Maria Ossowski  10.12.2024

Meinung

Amnesty, Israel und die »Untermenschen«

Die Verleumdung Israels durch die Menschenrechtsorganisation ist einmal mehr beispiellos. Ein Kommentar von Wolf J. Reuter

von Wolf J. Reuter  10.12.2024

Kommentar

Vor den Messern der Islamisten sind wir alle gleich

Dastan Jasim warnt vor dem einseitigen Blick deutscher Experten auf Syrien

von Dastan Jasim  09.12.2024