Sophie Albers Ben Chamo

Die Welt der anderen

Foto: Stephan Pramme

Ich habe seit vielen Jahren eine Freundin. Wir haben uns bei der Arbeit in einer Zeitungsredaktion kennengelernt. Nach dem Wellenlängenvergleich haben wir einander für kompatibel befunden. Da war sofort Verständnis, Wohlwollen und Wärme, wie man es sich eben von einer Freundin wünscht. Auch wenn wir mitunter in unterschiedlichen Ländern wohnten, haben wir uns über die Jahre zu Geburtstagen, Hochzeiten und Kindern gratuliert, zu Beerdigungen, Katastrophen und schwierigen Einsätzen Kraft gewünscht. Und wenn wir nah genug waren, haben wir uns zum Spazierengehen oder Essen und langen Gesprächen getroffen. Zuerst ohne Familie, dann mit. Die haben sich zum Glück auch sehr gut verstanden.

Wir haben darüber geredet, was die Welt und deshalb auch uns bewegt und haben dabei immer auch auf die Welt der anderen Acht gegeben. Denn die war so unterschiedlich, dass ein Teil ihrer Familie in Beirut und ein Teil der meinen in Haifa saß. Doch in Berlin durfte die Welt ganz ähnlich sein. Da war es egal, woher man kommt, wen man liebt oder woran man glaubt.

Schließlich war unser Blick auf diese Welt der gleiche. Die Menschlichkeit, das Kritischsein, die Neugier, der Ehrgeiz, der Anspruch, die Motivation, der Gerechtigkeitssinn. Waren wir doch beide um Ausgeglichenheit bemüht. Ich dachte, ich sei so links wie sie, so fest wie sie in meinem Glauben daran, dass eine bessere Welt möglich sei. Jahrzehntelang ging ich davon aus, dass da ein Wir ist. Selbst wenn mal die israelisch-libanesische Grenze zwischen uns lag, bedauerten wir hauptsächlich, dass wir uns nicht einfach auf einen Kaffee treffen konnten. Schließlich trennten uns gerade mal 130 Kilometer.

Bis zum 7. Oktober 2023.

Da ist meine Freundin still geblieben, hat mir und meiner Familie nicht Kraft gewünscht, hat nicht auf meine Welt Acht gegeben, hat nicht auf meine Nachrichten reagiert. Und mit dem Schweigen und einem Social-Media-Auftritt, die das Leid auf israelischer Seite ignorieren, als gäbe es keine 1200 Massakrierten, keine Geiseln und keine Angriffe auf Juden in aller Welt, steigt die Entfernung mit jedem weiteren Tag ins Unermessliche.

Ich hatte eine Freundin. Schmerz ist universell.

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025