Pia Lamberty

Das Problem beim Namen nennen

Pia Lamberty, Psychologin, Publizistin und Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) Foto: IMAGO/Future Image

Pia Lamberty

Das Problem beim Namen nennen

Straftaten von Corona-Leugnern wurden in der Statistik für politisch motivierte Kriminalität in einer eigenen Kategorie erfasst. Damit wird deren rechtsextreme Motivation ignoriert und verharmlost

von Pia Lamberty  10.06.2022 14:16 Uhr

Die Proteste gegen die Coronamaßnahmen waren von Anfang an auch für Rechtsextreme Dreh- und Angelpunkt ihrer Mobilisierung. Und doch tun sich Sicherheitsbehörden, Politik und Gesellschaft schwer, das Protestgeschehen einzuordnen. Gesellschaftliche Debatten drehten sich immer wieder um die Frage, wer denn diese »normalen Leute« seien und ob sie nicht »nur« frustriert und ängstlich wären.

Dieses Problem spiegelt sich auch in der kürzlich vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Statistik für politische motivierte Kriminalität (PMK) wider: Viel zu viele Straftaten aus dem Bereich der Corona-Leugner wurden nicht als politisch eingeordnet. Der Verfassungsschutz hat stattdessen eine neue Extremismuskategorie eingeführt: die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates.

Die Engführung auf die Delegitimierung des Staates führt dazu, dass die anderen Formen der Menschenverachtung ignoriert werden.

Mit dieser neuen Kategorie entsteht jedoch der Eindruck, es würde sich bei den ideologischen Verbindungen der Querdenken-Bewegung zu bestehenden Formen nur um Ausnahmefälle handeln. Die Querdenken-Bewegung vereint jedoch grundlegende rechtsextreme Elemente: Antisemitismus und Rassismus waren stets willkommen. Die Engführung auf die Delegitimierung des Staates führt dazu, dass all die anderen Formen der Menschenverachtung, die zu dieser Ideologie gehören, ignoriert werden. Das lässt sich auch fachlich nur schwer begründen. Verschwörungserzählungen sind eine Projektionsfläche für Antisemitismus, Rassismus oder Antifeminismus. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie unterschiedliche Feindbilder in sich vereinen können.

Es werden die gleichen Fehler wie bei Pegida gemacht: Rechtsextreme Motivation wird als solche nicht klar benannt. Doch diese Einordnung ist nicht nur eine Frage der Statistiken. Es geht auch darum, das Gefahrenpotential zu bewerten und politischen Maßnahmen daraus abzuleiten. Und hier besteht dringender Handlungsbedarf: Die rechtsextreme Szene wird die Klimakrise, aber auch den Krieg in der Ukraine, Attacken gegen Geflüchtete und LGTBIQ-Rechte zur weiteren Mobilisierung nutzen. Angegriffen wird weniger der Staat als die Menschen, die als Feindbild gezeichnet werden. Das muss man auch klar so benennen.

Die Autorin ist Psychologin, Publizistin und Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS).

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