Michael Thaidigsmann

Beredtes Schweigen zu Israels Geburtstag

Michael Thaidigsmann Foto: privat

Wenn Jubilaren zu ihrem runden Geburtstag gratuliert wird, sind Plattitüden meist nicht weit. Das war vergangenen Freitag im Bundestag nicht viel anders. Dort war zum 75. Jahrestag der Staatsgründung Israels 1948 eine Aussprache angesetzt. »Von »immerwährender Verantwortung« sprachen die Redner, von Israel als einem »fantastischen Land«, der »einzigen Demokratie in Nahost«, die zwar im Innern Widersprüche aufweise, zu deren Existenzrecht man aber »unwiderruflich« und »unverbrüchlich« stehe. Einerseits.

Andererseits enthielten die meisten Redebeiträge auch Kritik. Die Justizreform, die besetzten Gebiete, der Siedlungsbau, die Zweistaatenlösung, sogar die »Nakba«: All das wurde irgendwie auch noch in den Elogen untergebracht, Ausgewogenheit ist schließlich alles. Niemand setzt sich gerne dem Vorwurf aus, er oder sie sei mit allem einverstanden, was gerade in Israel gedacht und getan wird. Auch in Deutschland nicht.

Debatte Israelfreundliches Pathos, gewürzt mit Kritik: Die Mischung machtʼs. Die Debatte zeigte, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel, trotz »Staatsräson« und »Aussöhnung«, weiterhin kein einfaches ist. Manches wirkt durchaus freundlich, ehrlich gemeint, wohlwollend. Aber es klingt streckenweise auch etwas herablassend und altväterlich.

Dass sich das Geburtstagskind aktuell wieder einmal – zum x-ten Mal in seiner 75-jährigen Geschichte – gegen massive Raketenangriffe auf seinem Territorium zur Wehr setzen muss, kam im Bundestag zwar auch zur Sprache. Welche praktischen Konsequenzen das für Deutschland hat oder haben müsste, blieb unklar.

Auffällig war, dass in der Aussprache kein Mitglied der Bundesregierung das Wort ergriff. Ist nicht die Exekutive für die Außenbeziehungen zuständig? Wie wird das Bundeskabinett umgehen mit der rechten israelischen Regierung? Gibt es bald wieder Regierungskonsultationen? Und warum war bei den Jom-Haazmaut-Feiern in Israel kein deutsches Regierungsmitglied anwesend? Diese und andere Fragen bleiben unbeantwortet. Offen diskutieren will sie jedenfalls momentan niemand in Berlin. Beredtes Schweigen gehört derzeit eben auch zum deutsch-israelischen Verhältnis.

thaidigsmann@juedische-allgemeine.de

Kommentar

Die UNRWA ist Teil des Problems - und nicht seine Lösung

Die UNRWA ist Geschichte. So wollte es eine breite Mehrheit in der Knesset. Dieser Schritt war überfällig, berechtigt - und dennoch falsch. Zumindest jetzt

von Georg M. Hafner  12.12.2024

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024

Meinung

Papst Franziskus, Jesus und ein gefährliches Manöver

Die Kirche rüttelt an ihrem eigenen fragilen Fundament, wenn dem Juden Jesus seine Herkunft, seine Abstammung und seine Identität abgesprochen werden

von Daniel Neumann  11.12.2024

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024

Meinung

PEN Berlin war kurz davor, auf der Seite der Feinde Israels zu stehen

Nur knapp konnte verhindert werden, dass die Schriftstellervereinigung eine Resolution annahm, die von glühender »Israelkritik« geprägt war

von Stefan Laurin  10.12.2024

Meinung

Der Papst und sein einseitiges Mitgefühl für Judenfeinde

Das Jesus-Kind in ein Palästinensertuch einzuwickeln zeigt, dass der Vatikan seine Tradition verleugnet, um im Nahostkonflikt Partei zu ergreifen

von Maria Ossowski  10.12.2024

Meinung

Amnesty, Israel und die »Untermenschen«

Die Verleumdung Israels durch die Menschenrechtsorganisation ist einmal mehr beispiellos. Ein Kommentar von Wolf J. Reuter

von Wolf J. Reuter  10.12.2024

Kommentar

Vor den Messern der Islamisten sind wir alle gleich

Dastan Jasim warnt vor dem einseitigen Blick deutscher Experten auf Syrien

von Dastan Jasim  09.12.2024