Michael Thaidigsmann

Antisemitismus sollte man auch erkennen

Michael Thaidigsmann Foto: privat

Die Mitglieder der Schiedskommission des belgischen Fußballbundes legten diese Woche ein erstaunliches Maß an Einfühlungsvermögen an den Tag. Die Fans des Vereins Club Brugge KV waren bei einem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft durch Gesänge wie »Wer nicht springt, ist Jude« und »Alle Juden sind Homos« aufgefallen. Damit schafften sie es sogar in den offiziellen Spielbericht – eine Seltenheit. Dem noch amtierenden Landesmeister aus Brügge drohte eine empfindliche Geldstrafe.

Doch einer solchen erteilte die Kommission nun eine Absage. »Jude« und »Homosexuelle« seien ja keine Schimpfworte, daher könnten sie auch nicht diskriminierend gewesen sein, befand das Gremium. Wer ein wenig nachdenkt, kann nur verwundert den Kopf schütteln.

SIGNALE Den Richtern war offenbar egal, was die Intention der grölenden Fans war, nämlich Juden und Homosexuelle zu beleidigen. Sie blendeten aus, dass Brügge-Fans in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach aufgefallen waren. Und womöglich war der Kommission auch gleichgültig, welches Signal sie mit ihrem Urteil aussendet.

Der Kommission war es wohl
gleichgültig, welches Signal sie
mit ihrem Urteil aussendet.

Der Schiedsspruch ist ein grobes Foul am gesunden Menschenverstand. Jene Fans, die ihren Stadionbesuch gerne zur Verbreitung von Hass und Hetze benutzen, statt sich ein Fußballspiel anzusehen, werden sich ermutigt fühlen. In vielen Stadien halten Fußballstars vor Anpfiff gerne Banner mit wohligen Slogans wie »Sag nein zu Rassismus« hoch. Kostet ja nicht viel – und ist gut fürs Image von Spielern, Vereinen und Verbänden.

FANS Doch Banner sind geduldig. Denn wie im Fall von Brügge solidarisieren sich manche Vereine lieber mit ihren vermeintlich treuesten Anhängern, anstatt diese bei ernsten Verfehlungen hochkant aus dem Stadion zu werfen.

Das Urteil des belgischen Fußballverbandes ist pure Heuchelei. Wer Antisemitismus und Rassismus nur mit Worten bekämpft, aber unfähig oder unwillig ist, in der Praxis dagegen vorzugehen, ist nicht glaubwürdig.

Der Autor ist freier Journalist in Brüssel.

Meinung

Eurovision: Mobbing statt Musik

Eigentlich versteht jeder, dass Musiker nicht mit ihren Regierungen identisch sind. Wenn es um den jüdischen Staat geht, scheint diese Logik jedoch nicht zu gelten

von Sabine Brandes  07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert