Literatur

Sprachgewaltiger Freigeist

Der Schriftsteller und Dichter Heinrich Heine (1797-1856) Foto: imago stock&people

Literatur

Sprachgewaltiger Freigeist

Streitbar und ironisch, verletzend und verletzlich: Vor 225 Jahren wurde der Dichter Heinrich Heine geboren

von Andreas Duderstedt  13.12.2022 11:49 Uhr

Er hatte seine Wurzeln in der Romantik und hat sie überwunden. Er hat innige Volkslieder geschaffen und war gefürchtet wegen seiner beißenden Ironie. Er wurde als Jude geboren und ließ sich evangelisch taufen.

Religiös war er nicht. Er beeinflusste den jungen Marx, litt unter der Zensur, sympathisierte mit den revolutionären Bewegungen seiner Zeit, sträubte sich aber gegen jede Art von Gleichmacherei.

Heute vor 225 Jahren wurde Heinrich Heine (1797-1856) geboren. Er gilt weltweit neben Goethe als bedeutendster deutscher Dichter des 19. Jahrhunderts - und lebte ein Vierteljahrhundert in Frankreich.

Heine empfand sich als »Sohn der Französischen Revolution«, wie Christian Liedtke erklärt, Leiter des Archivs des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts. Der Dichter lernte in Paris den jungen Karl Marx kennen und sah es als historische Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse künftig Macht gewinnen werde. Jedoch: »Das materielle Wohlsein des Volkes war für ihn wichtiger als jede Ideologie. Denn er hatte eine tiefe Abneigung gegen politische Systeme, die den Leuten alles erklären und vorschreiben, was sie tun sollen«, stellt Liedtke fest: »Er war ein Künstler, kein Politiker.«

Durch Heinrich Heines Leben und Werk ziehen sich Widersprüche, Ambivalenzen, Zerrissenheiten. Am 13. Dezember 1797 wird er in Düsseldorf als Harry Heine geboren. Als junger Mann veröffentlicht er erste Gedichte, scheitert als Kaufmann, studiert dann Jura, mit Mühe und ohne Begeisterung, schließt endlich mit Promotion ab. Im selben Jahr, 1825, tritt er zum Christentum über und wird auf den Namen Christian Johann Heinrich getauft.

Schriftstellerischer Erfolg stellt sich ein: Die »Reisebilder« erscheinen in mehreren Teilen. Heine erreicht damit den Durchbruch beim Publikum. Er wird zum Schöpfer einer neuen literarischen Gattung, deren federleichte Prosa über Reiseliteratur im engeren Sinne weit hinausgeht. Kunstvoll verknüpfte Anspielungen, auch auf aktuelle gesellschaftliche Zustände, machen diese Bücher politisch brisant. Heine kämpft mit der allgewaltigen Zensur, die das geistige Leben zur Zeit des Vormärz in Deutschland und Österreich lähmt.

Sein »Buch der Lieder« (1827), das bis zu Heines Tod 13 Auflagen erreicht, trifft das Lebensgefühl einer Generation. Heines Gedichte haben oft den Volksliedton der romantischen Sammlung »Des Knaben Wunderhorn«, sie verleugnen nicht die Nähe zu Eichendorff oder Arnim.

Heines Abhängigkeit von der Romantik und ihren Vorbildern war groß, schrieb sein Biograf Ludwig Marcuse, aber »seine Unabhängigkeit größer.«

Denn bei den Romantikern findet sich nichts von den Spannungen der modernen Zeit, ungebrochen besingen sie die »prächtige Sommernacht« oder die schöne Welt, die man vor Blüten kaum sieht. Bei Heine kippt ein Text überraschend in Ironie um, die die Schwärmerei aufs Korn nimmt - so in dem Gedicht vom Fräulein, das am Meere stand und lang und bang seufzte: »Es rührte sie so sehre / Der Sonnenuntergang.« Die zweite Strophe erwidert der sentimentalen Dame: »Mein Fräulein, sei n Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter / Und kehrt von unten zurück.«

1831 wandert der bewunderte, aber auch heftig angefeindete Dichter nach Frankreich aus und lässt sich in Paris nieder. Wenige Jahre später verbietet die Zensur seine Publikationen in Preußen.

Sein wohl bekanntestes Werk, das Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen« (1844) zeichnet äußerlich seine erste Deutschland-Reise nach zwölf Jahren in Frankreich nach. Es ist die schmerzliche Liebe zum Land seiner Muttersprache, die sich durch das ganze Gedicht zieht und im ersten Kapitel einzigartig beschrieben wird:

»Und als ich die deutsche Sprache vernahm, / Da ward mir seltsam zu Mute; / Ich meinte nicht anders, als ob das Herz / Recht angenehm verblute.«

Die Stationen der Reise nimmt er zum Anlass, deutsche Zustände mit bissigem Witz zu zeichnen - gegen das Kleinkarierte, Miefige, Engstirnige im Land von Behördenwillkür und Spießertum.

Unter dem Antisemitismus in Deutschland hat er gelitten. Trotz der Taufe, die er als »Eintrittsbillett« in die deutsche Gesellschaft verstanden hatte, blieb Heine dem Judentum zeitlebens verbunden. Jüdische Stoffe und Themen kommen immer wieder in seinem Werk vor.

Nach Überzeugung des Germanisten Christian Liedtke wollte er ein modernes Judentum. Heine habe Wert darauf gelegt, »dass Jesus Jude war und als sein Alter Ego gegen die Autoritäten seiner Zeit kämpfte.« Im »Wintermärchen« bezeichnet der Dichter den Gekreuzigten als »mein armer Vetter«. Liedtke: »Er sah in ihm einen gescheiterten Sozialrevolutionär.«

Von 1848 an bis zu seinem Tod am 17. Februar 1856 litt Heine an einer unheilbaren Krankheit und konnte das Bett - er spricht von seiner »Matratzengruft« - nicht mehr verlassen. Er wurde in Paris begraben.

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025