Wuligers Woche

JCall, bitte melden!

Kein Anschluss unter dieser Nummer Foto: Thinkstock

»Unterstützen denn alle deutschen Juden Netanjahu?«, fragte mich kürzlich eine nichtjüdische Bekannte. Nein, tun sie natürlich nicht. Viele in der hiesigen jüdischen Gemeinschaft betrachten die israelische Sicherheitspolitik mit Skepsis und wünschen sich die Zweistaatenlösung. »Warum hört man dann von denen so wenig?«, lautete die nächste Frage.

Ja, warum eigentlich? Zu Wort kommen in der deutschen Öffentlichkeit entweder die – oft etwas verquält wirkenden – offiziösen Vertreter einer »Right or wrong, my Israel«-Verbundenheit oder der extreme antizionistische Rand, wie die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden«, zuletzt in Person von Rolf Verleger bei der Maischberger-Diskussionsrunde zur »Antisemitismus-Dokumentation«. Verleger und seine ein paar Dutzend mit BDS sympathisierenden Mitstreiter sind allerdings für die jüdische Gemeinschaft wenig repräsentativ.

Cohn-Bendit Selten zu hören ist die rationale Linke, die solidarisch mit Israel ist, aber kritisch gegenüber der Politik seiner gegenwärtigen Regierung. Dabei hatte die sich vor Jahren vehement zu Wort gemeldet. »European Jewish Call for Reason« – Europäischer jüdischer Aufruf zur Vernunft –, kurz: »JCall Europe«, nannte sich ein Zusammenschluss, der, wie sein Mitinitiator Daniel Cohn-Bendit erklärte, klarmachen wollte, »dass es auch Juden gibt, die sich nicht von den offiziellen jüdischen Organisation vertreten fühlen«. Denn diese seien »zu Verlautbarungsorganen des israelischen Außenministeriums geworden«.

Das sagte Cohn-Bendit in einem Interview auf Seite eins dieser Zeitung im Mai 2010. Einige Monate später gründeten Micha Brumlik und andere einen deutschen Ableger von JCall, um, so Brumlik – wieder auf Seite eins der Jüdischen Allgemeinen –, »der Haltung der israelischen Regierungskoalition eine andere jüdische Stimme entgegenzusetzen«, »die Zweistaatenlösung voranzubringen« und »in die jüdischen Gemeinden hineinzuwirken«.

Das war vor sieben Jahren. Von JCall Deutschland ward seither nichts mehr gehört. Nicht, weil die »offiziellen jüdischen Organisationen« ihre Stimme unterdrückt hätten. Die Stimme meldet sich bloß nicht mehr. Im Netz findet man nur die sieben Jahre alte Pressemitteilung über die Gründung. Das Klischee vom springenden Tiger, der als Bettvorleger endet, drängt sich auf.

Streitigkeiten Aus eigenen Erfahrungen mit kritischen jüdischen Zusammenschlüssen vermute ich, dass es an internen Streitigkeiten und/oder mangelndem Durchhaltevermögen liegt, die schon so manches hoffnungsvoll begonnene fortschrittliche jüdische Projekt zum Scheitern gebracht haben.

Was schade ist. Wir brauchen auch in der jüdischen Gemeinschaft Deutschlands eine offene Auseinandersetzung um die Zukunft Israels. Die Kritiker der Jerusalemer Regierungspolitik hätten zu dieser Diskussion Wichtiges beizutragen (auch wenn ich ihre Positionen für falsch halte). Sie müssten dafür allerdings aus ihrer progressiven Schmollecke herauskommen. JCall, bitte melden!

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  11.12.2025

Israel

Ausstellung zu Bachs Klaviermusik in Jerusalem

Das Bachhaus Eisenach zeigt in Israel Dokumente zur frühen Verbreitung von Johann Sebastian Bachs Musik in Europa. Die Ausstellung begleitet das »12. Piano Festival« im Jerusalem Theatre

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Fotografie

Über die Würde des Unangepassten

Der Berliner Gropius Bau widmet Diane Arbus eine umfangreiche Retrospektive

von Bettina Piper  11.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 11.12.2025

Reykjavik

Auch Island boykottiert jetzt den ESC

Der isländische Rundfunksenders RÚV hat beschlossen, sich Spanien, Irland, Slowenien und der Niederlande anzuschließen

 11.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025