Heidelberg

Ethischer Monotheismus

Seminarraum in Neubau der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg: Johannes Heil, Rabbiner Jehoschua Ahrens und Rabbiner Shaul Friberg (v.l.) Foto: Jonas Leipziger

»Wir Juden und Christen haben viel mehr gemeinsam, als was uns trennt …« Das ist gewiss keine neue Feststellung. Die zitierte Erklärung mit dem Titel »Den Willen unseres Vaters im Himmel tun: Hin zu einer Partnerschaft von Juden und Christen« vom Dezember 2015 ist dennoch ein aufschlussreicher Schritt, weil sie von orthodoxer Seite kam und sich unter den knapp 60 Unterzeichnern auch prominente Rabbiner finden.

Deren Positionen wurden auch auf einer Tagung diskutiert, die am 8. Januar mit Unterstützung des Stuttgarter Lehrhauses für interreligiösen Dialog an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS) stattfand. Leider hatten es nicht alle Redner und angemeldeten Teilnehmer durch Schnee und Eis nach Heidelberg geschafft.

differenzen Dort betonte der Mit-Initiant Rabbiner Jehoschua Ahrens eingangs, dass die Erklärung auf jüngere Entwicklungen seitens der christlichen Kirchen reagiere. Explizit antijüdische Positionen im Christentum und kirchliche »Judenmission« waren auch in den Jahren nach 1945 keine Seltenheit. Die Suche nach interreligiöser Harmonie dagegen habe zu oft die Differenzen außen vor gelassen. Als Beispiel von jüdischer Seite nannte Ahrens die 2002 veröffentlichte Erklärung »Dabru emet«, die vor allem von nicht-orthodoxen Juden verfasst worden war.

Demgegenüber wollten die Initianten der neuen Erklärung »einen Schritt weiter gehen«. Nicht nur als Antwort auf neuere Positionen in den Kirchen, sondern auch angesichts der gemeinsamen moralischen Herausforderung durch Säkularisierung und religiöse Fundamentalisierung.

voraussetzungen In sieben Thesen führt das Positionspapier unter anderem den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und die religionspolitische Anerkennung seit dem Zweiten Vatikanum als Voraussetzungen an, die den Austausch von Juden und Christen auf eine neue Ebene brachten.

Das Christentum sei ferner nicht als Zu- oder Unfall anzusehen, im Gegenteil bestehe ein gemeinsamer Bund, der in der Welt zu erfüllen sei und seine Basis im »ethischen Monotheismus« und der Hebräischen Bibel finde. Dabei werden die »erheblichen theologischen Differenzen« der beiden Religionen keineswegs relativiert, aber eben als die Mitgift in einer »Partnerschaft« zu Ehren Gottes interpretiert.

Auch Johannes Heil, Rektor der Hochschule, erinnerte in seinem Vortrag an die christliche Tradition einer »Theologie der Verachtung« als untilgbare historische Ausgangsposition der Beziehung von Christen und Juden. Heil warnte anhand der christlichen Religionsgeschichte auch davor, leichtfertig eine strikte Trennung von (»religiösem«) Antijudaismus und (»modernem«) Antisemitismus vorzunehmen. Trotzdem wurde auf der Tagung verschiedentlich die Glaubwürdigkeit der jüngeren kirchlichen Aufarbeitung betont.

Sozialethik Andreas Verhülsdonk (Düsseldorf) verwies auf den Rabbiner und Religionsphilosophen Joseph Ber Soloveitchik, der einen theologischen Grundlagendiskurs zwischen Judentum und Christentum als unmöglich bezeichnete. Selbst die gemeinsamen Inhalte bezeugten in den Traditionen Unterschiedliches. Möglich schien Soloveitchik dagegen die partielle Übersetzung der religiösen Lehren in sozialethische Positionen, über die der gemeinsame Austausch sinnvoll sei.

Voraussetzung des Dialogs wären demnach ein geteilter öffentlicher Raum und eine doppelte Anthropologie, die Soloveitchik den beiden unterschiedlichen Schöpfungsberichten im Buch Genesis zuordnete. Verhülsdonk verglich dagegen die Möglichkeit, die Binnenperspektive einer anderen Religion zu verstehen, mit dem Erlernen einer Fremdsprache.

Michel Bollag vom Zürcher Lehrhaus deutete in seinem Vortrag auf die Diversität im orthodoxen Judentum hin und ging dabei den Hintergründen der Unterzeichner nach. Er stellte unter anderem die Frage, wie denn nun die Popularisierung der wünschenswerten interreligiösen Reflexivität unter Juden und Christen zu erreichen sei.

publikum Schon zu Beginn der Tagung hatte Hochschulrabbiner Shaul Friberg darauf hingewiesen, dass Veranstaltungen zum Religionsdialog freilich vor allem das »falsche« Publikum – nämlich ein bereits dialogoffenes – erreichen.

Dass Probleme mit der Anerkennung religiöser Differenz auch (sozial-)psychologisch zu erklären seien, rief Rabbiner David Bollag (Ephrat) in Erinnerung. Vor allem aber führte er in die bisher laut gewordene Kritik an der Erklärung der orthodoxen Rabbiner ein. So habe die orthodoxe Europäische Rabbinerkonferenz (CER) das Papier zurückgewiesen und vor der Unterzeichnung gewarnt.

Strittig ist etwa die Frage, ob man Maimonides als Zeugen für die theologische Dignität des Christentums anführen dürfe. Zugleich plädierte Bollag dafür, die verstreuten biblischen Hinweise auf eine Koexistenz von Religionen ernst zu nehmen.

Kontroverse Eine Relativierung der ganzen Diskussion ermöglichte ein Beitrag von Rabbiner Ruven Bar Ephraim (Zürich), der die Erklärung zwar ausdrücklich begrüßte, zugleich aber ihre theologische Radikalität und Neuartigkeit aus liberaler Perspektive in Zweifel zog. Manche heiklen Themen seien nur indirekt formuliert worden – was einige der Anwesenden energisch bestritten.

Zum Schluss wies der evangelische Theologe David Kannemann (Wuppertal) nochmals auf die »erheblichen theologischen Differenzen« wie auch auf die Verurteilung der Judenmission durch die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 2016 hin. Kannemann machte an einer jüngeren Kontroverse die Uneinigkeit unter evangelischen Theologen im Verhältnis zum Judentum deutlich.

Die Tagung zeichnete sich durch engagierte Diskussionen aus, in denen man das Verbindende betonte. Die Frage, wie die gegenseitige Anerkennung konkret innerreligiös plausibilisiert wird, kam dabei immer wieder, aber eher nebenbei, auf. Die unterschiedlichen Vorträge glätteten das Problem nicht, sondern ergänzten einander in Form eines »Mosaiks«, wie David Bollag feststellte. Eine Publikation wird derzeit im Berliner Metropol-Verlag vorbereitet.

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