»Go down Moses«

Ein Lied geht um die Welt

1990 sang auch Nana Mouskouri das Lied. Foto: imago

»Go down Moses«

Ein Lied geht um die Welt

Wie der jüdische Gospel-Song zur Freiheitshymne wurde

von Jonathan Scheiner  25.04.2016 17:16 Uhr

Als Moses damals zum Pharao ging, um die Freilassung der Israeliten aus Ägypten zu fordern, hätte er sich nicht träumen lassen, dass daraus einer der beliebtesten Songs der schwarzen Sklaven in den USA werden würde. Noch heute fehlt »Go down Moses« bei fast keinem Gospelkonzert.

Und das, obwohl das Thema doch eigentlich zu Pessach gehört wie Charosset und Mazze. Doch jüdische Musiker sind Mangelware, wenn es um die Interpretation des Songs geht. Irgendwie peinlich. Und obendrein unverständlich bei einer derartigen Textvorlage.

Afroamerikaner Aufgetaucht ist »Go Down Moses« – beziehungsweise »When Israel was in Egypt’s Land, wie der Song auch heißt – zum ersten Mal im Jahr 1872 als Song der Fisk Jubilee Singers in Nashville/Tennessee. An der Fisk University konnten Menschen studieren, die kurz vorher noch als Sklaven arbeiten mussten. Dort waren aus Afroamerikanern, jedenfalls formal, freie Menschen geworden. Und so ist »Go down Moses« zur Freiheitshymne dieser Menschen geworden.

Bekannt ist das Lied übrigens auch als »Let My People Go«, was wiederum die Frage aufwirft, wessen Volk denn eigentlich gemeint ist: das jüdische oder das afroamerikanische? Louis Armstrong, von dem die wohl berühmteste Version stammt, würde die Frage anders beantworten als Georg Friedrich Händel, der 1738 das Oratorium Israel in Ägypten komponierte.

Der Bürgerrechtler Paul Robeson, dessen Vater noch als Sklave in die freien Nordstaaten fliehen konnte, würde ebenfalls anders antworten als die griechische Sängerin Nana Mouskouri oder die Kelly Family, die aus dem Song eine bumsfidele Rocknummer gemacht hat.

Improvisation Da klingt die 1938 geborene Saxofon-Jazzikone Charles Lloyd, zu hören auf dem Album Mirrow von 2009, geradezu hoch seriös: Die hinlänglich bekannte Melodie wird kurz zitiert – und dann geht die Improvisations-Post ab. Das klingt geschmeidig und schön, nur jüdische Musiker, die sucht man hier wie auch sonst vergebens unter den Interpreten des Stücks.

Man muss schon lange recherchieren, um Bob Dylan ausfindig zu machen, der den Song vor 30 Jahren einmal live gespielt hat. Und dann taucht nach langer Suche noch DJ Socalled auf. Der kanadische Rapper mit bürgerlichem Namen Josh Dolgin hat 2005 ein ganzes Pessach-Album aufgenommen. Auf The Socalled Seder findet sich auch der Song »L.M.P.G.«.

Die Musik indes, eine Mischung aus Hip-Hop und Soul, hielte einer exakten Zuordnung zu jüdisch oder afroamerikanisch kaum stand. Aber wer mag an Pessach schon nach dem Haar in der Suppe suchen?

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025

Aufgegabelt

Himbeer-Sorbet mit Zaatar

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  12.06.2025

Imanuels Interpreten (10)

Kenny Gorelick: Das Enfant Terrible

Er ist der erfolgreichste Jazz-Musiker – und der meistgehasste. Warum eigentlich?

von Imanuel Marcus  12.06.2025

Medien

Deutschlands Oberlehrer

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? In diesen Tagen scheint die Diffamierung Israels oberste Bürgerpflicht zu sein. Ein Kommentar

von Michael Thaidigsmann  11.06.2025 Aktualisiert