Herr Gavron, Sie waren zuletzt 2010 Gast bei der Frankfurter Buchmesse. Was erwarten Sie dieses Mal?
Ich bin unter anderem in Frankfurt, um einen Verlag für mein neuestes Buch »Haim Einech Roza Bi« (auf Englisch: »Don’t You Want Me«) zu finden, das in Israel schon auf dem Markt ist. In Deutschland und in Italien erscheint es nächstes Jahr, aber ich möchte es auch in anderen Ländern herausbringen. Bis vor kurzem dachte ich, dass die Chancen schlecht stehen: »Wer will schon das Buch eines Israelis? Sogar Menschen, die Israel nicht hassen oder die sich nicht dafür interessieren, könnten sagen: Wozu brauche ich den Ärger? Nehmen wir doch lieber einen Norweger oder einen Franzosen.«
Jetzt sind Sie Ihre Ängste kleiner geworden?
Ich mache mir immer noch Sorgen, aber jetzt sind wir Israelis wenigstens nicht mehr in Gaza, der Krieg liegt hinter uns, und es sieht so aus, als ob es dabei bleibt. Die Richtung ist eine andere, und es wird sich angenehmer anfühlen, sich im israelischen Pavillon auf der Buchmesse aufzuhalten, als es vielleicht vor zwei Wochen der Fall gewesen wäre.
Sie selbst sind schon von der Israel-Boykott-Bewegung angefeindet worden …
Ja, zweimal haben BDS-Aktivisten mich ins Visier genommen, in Brooklyn und in Australien, aber es war eine sehr kleine Demo beziehungsweise eine Petition. Damit bin ich fertig geworden. Um das klarzustellen: Ich lehne die BDS-Bewegung strikt ab, und gleichzeitig halte ich es nach wie vor für legitim und nötig, unsere Regierung zu kritisieren.
In Ihrem neuen Buch heißt es: »Israel ist der einzige Staat der Welt, der aufgrund einer Vision aus einem utopischen Roman gegründet wurde« – gemeint ist »Altneuland« von Theodor Herzl. Ist es derzeit leichter, über Utopien oder über Dystopien zu schreiben?
Am leichtesten ist es, über die Vergangenheit zu schreiben. Über die Gegenwart kann ich momentan nicht schreiben. Und die Zukunft stellt sich jeder anders vor. In meinem zuletzt auf Deutsch erschienenen Buch »Everbody Be Cool« geht es übrigens um eine Zukunft, über die am Montag beim Gipfel von Scharm el Scheich gesprochen wurde – über einen Staatenbund im Nahen Osten! Man kann es Utopie oder Dystopie nennen, aber ich glaube, die Zukunft wird sowohl Gutes als auch Schlechtes bringen, genau wie die Vergangenheit und die Gegenwart.
Eine Ihrer Erzählungen handelt von einer jungen Frau, deren einziger sozialer Kontakt eine KI ist. Sehen Sie Künstliche Intelligenz als Chance oder haben Sie Angst, vielleicht auch um Ihren eigenen Beruf?
KI wird in Zukunft vieles beeinflussen, vielleicht auch meine Arbeit. Ich unterrichte dieses Jahr an der Universität Tel Aviv, und einer der Lehrer hat gerade angekündigt, dass die Studierenden ihre Abschlussarbeit handschriftlich anfertigen müssen. Das hat doch keinen Zweck! Wir können den Strom nicht aufhalten, sondern müssen die positiven Aspekte für uns nutzen.
Mit dem israelischen Schriftsteller sprach Ayala Goldmann.
Assaf Gavron liest bei der Frankfurter Buchmesse im Rahmen eines Programms des Israeli Instituts for Hebrew Literature, bei dem auch andere israelische Autoren auftreten.