Pünktlich zu den Feiertagen erreicht mich ein inspirierender TikTok-Clip der coolen israelischen Hip-Hop-Band »Hadag Nachash«: Ein Cartoon-Rabbi mit langem Bart und ein betender Typ im Tallit wirbeln vor himmlischem blauen Hintergrund an Wattewölkchen vorbei … dazu ertönt ein Song: »Der Ewige ist ein cooler Typ! Kauft unsere neue CD mit vielen tollen Tehillim drauf!«
Kein Witz: Die harten Jungs von Hadag Nachash, bekannt für ihren sozialkritischen Hip-Hop mit provokativen Texten, haben auf ihrem neuesten Album ihre 24 Lieblingspsalmen vertont. »Ich weiß, viele Leute werden es befremdlich finden, dass wir uns mit Tehillim beschäftigen«, meint Frontmann Shaanan Streett in einem Interview.
Shaanan, Jahrgang 1971, in Rapper-Kluft, mit ergrauendem Hip-Hop-Bärtchen und Koteletten, meint, er glaube zwar nicht an Gott, habe aber eine sehr enge Verbindung zum Judentum, seinen Traditionen, Werten und Schriften. Die alten heiligen Bücher enthielten universelle Wahrheiten und gehören deshalb allen gemeinsam, so heißt es auf der Website von Hadag Nachash.
Die sechs Hip-Hopper sind übrigens nicht die Einzigen, die religiöse Inhalte mit Pop-Sounds vermischen. Jüdische Liturgie und Schriften spielen in der israelischen Popmusik eine zunehmend wichtige Rolle, man denke nur an die spirituell geprägten Hits von Popstar Ishay Ribo oder an Pop-Idol Omer Adam und seinen Hit »Mode Ani«, eine Neu-Interpretation des traditionellen Morgengebets.
Jüdische Liturgie und Schriften spielen in der israelischen Popmusik eine zunehmend wichtige Rolle.
Über diesen Trend haben sich natürlich einige kluge Menschen Gedanken gemacht. Zum Beispiel Felix Papenhagen vom Institut für Jüdische Philosophie an der Universität Hamburg, er hat darüber sogar seine Doktorarbeit geschrieben.
Die zunehmende Religiosität in der israelischen Musik habe bereits Ende der 90er-Jahre begonnen, meinte Papenhagen in einem Interview.
Oft sei vom großen Vakuum die Rede, das sich nach dem Abklingen des zionistischen Traums aufgetan habe – eine Leere, die sich mit tiefer Sinnsuche füllte, besonders nach dem Mord an Yitzhak Rabin, der für viele das Ende einer Ära markierte.
Man dürfe dabei nicht vergessen: Israel sei das Einwanderungsland par excellence – ein Ort, an dem Jüdinnen und Juden aus allen Himmelsrichtungen zusammenfinden, getragen von unterschiedlichsten Prägungen, Geschichten und Sprachen. Was sie verbindet, ist oft nur ein schmaler Nenner – und dieser Nenner ist nicht selten die Religion, die sich als gemeinsamer Faden durch das vielstimmige Gewebe ihrer Identitäten zieht.
Wer einmal ein bisschen etwas von diesem multikulturellen israelischen Flair schnuppern will, der sollte sich die Hip-Hopper von Hadag Nachash live ansehen. Sie kommen aus unterschiedlichen kulturellen Ecken, und ihr abwechslungsreicher Sound vermischt allerlei Einflüsse – von arabischen und jemenitischen Klängen bis hin zu europäischen Vibes. Am 22. November spielen die sechs beim Abschlusskonzert der Jüdischen Kulturtage in Berlin. Mein Tipp: Hingehen.