Thüringen

»Der Mensch steht im Mittelpunkt«

Achava-Festspiele in Thüringen Foto: imago

Thüringen

»Der Mensch steht im Mittelpunkt«

In Eisenach haben die Achava-Festspiele begonnen

 19.09.2019 06:43 Uhr Aktualisiert

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat die am Donnerstag beginnenden Thüringer Achava-Festspiele als »wertvolle Begegnungstage« gewürdigt. »Es ist wichtiger denn je, Themen wie Toleranz, Aufklärung, Weltoffenheit und Verständigung die notwendige Beachtung zu schenken und bedingungslos gegen das Vergessen einzustehen«, sagte Ramelow am Mittwoch in Erfurt.

Bis zum 29. September sind während der jüdisch-christlichen Begegnungstage Konzerte, Diskussionen, Ausstellungen und Führungen an diversen Orten in Eisenach, Erfurt und Weimar geplant. Im Jahr 2015 fand das jüdisch geprägte Festival, das sich für interreligiösen und interkulturellen Dialog einsetzt, erstmals statt.

Eröffnet werden die Achava-Festspiele von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Ramelow erklärte: »Achava ist die Einladung an uns alle, anderen Kulturen und Religionen frei von Vorurteilen und Vorbehalten zu begegnen.« Die Festspiele seien ein Ort, um miteinander ins Gespräch zu kommen. »Achava ermutigt uns, anderen Kulturen mit offenem Herzen zu begegnen, weil Toleranz und Gemeinschaft durch Begegnung entstehen«, führte der Ministerpräsident aus.

GESPRÄCH Mit eröffnet werden die Achava-Festspiele von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, der zugleich auch die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen hat und ein Grußwort sprechen wird. Vorab erinnerte Schuster an die Kraft des Gemeinsamen: »Das hebräische Wort Achava bedeutet Brüderlichkeit. In diesem Sinn bringt das Festival Menschen zusammen und stellt den Austausch zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen in den Mittelpunkt.«

In Eisenach zeigt eine Ausstellung die Arbeit des kirchlichen »Entjudungsinstitut« in der NS-Zeit.

Am Donnerstag wird im Rahmen der Festspiele im Eisenacher Lutherhaus zudem die neue Sonderausstellung Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche ›Entjudungsinstitut‹ 1939-1945 eröffnet.

Mit Hilfe von 56 Exponaten, zahlreichen Abbildungen und Grafiken sowie mehreren Medienstationen können sich die Besucher dem Thema nähern. Im Mittelpunkt stehe dabei das sogenannte «Entjudungsinstitut», das vor 80 Jahren, am 6. Mai 1939, von elf evangelischen Landeskirchen auf der Wartburg gegründet wurde, kündigte der Wissenschaftliche Leiter und Kurator der Stiftung Lutherhaus Eisenach, Jochen Birkenmeier, vorab an.

IDEOLOGIE Ziel der Einrichtung war es, Kirche und christlichen Glauben an die nationalsozialistische Ideologie anzupassen. Eine Bibelausgabe «Botschaft Gottes», aus der alle hebräischen Textstellen getilgt worden waren, erschien 1940. Es folgten ein antisemitisch redigiertes Gesangbuch, ein Katechismus und eine ebenso umgearbeitete Ausgabe zum religiösen Brauchtum.

Neben direkten Verweisen auf das Agieren der pseudowissenschaftlichen Einrichtung sind im Lutherhaus auch Objekte zu sehen, die vom damaligen Leben in den Gemeinden erzählen. Dazu gehören neben einer Glocke mit der Inschrift »In Treue dem Christus der Deutschen« aus dem Jahr 1936 oder einem mit Hakenkreuzen verzierten Lüftungsgitter aus einer Kirche auch diverse Hinweisschilder.

Die Ausstellung benennt als Wurzeln des Antisemitismus auch die judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers.

So ist auf einem zu lesen «Juden sind in unserem Ort nicht erwünscht», ein anderes bestimmt unter der Überschrift »Deutschchristliche Gottesfeier«: »Es wird das vom Eisenacher Institut mitfabrizierte Gesangbuch ›Großer Gott wir loben Dich‹ benutzt.«

NAMEN Darin wurden Lieder umgedichtet, in dem man jüdische Namen und Begriffe wie »Zion« oder »Zebaoth«, aber auch »Halleluja« oder »Hosianna« verschwinden ließ, erläuterte Jochen Birkenmeier. Hatte es

1938 noch geheißen »Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm, mein König und mein Bräutigam«, lautete der Text drei Jahre später »Du hohe klare Himmelssonn, du ewge Freud und wahre Wonn«. Insgesamt seien letztlich nur 4,4 Prozent des Liedguts früherer Gesangbücher unverändert übernommen worden.

MOTTO Die in vier Abschnitte unterteilte Ausstellung benennt als Wurzeln des Antisemitismus auch die judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers in seinen späten Schriften. Teil Vier beschäftigt sich unter dem Motto »Nachwirkungen« mit der schwierigen Annahme des Themas in Ost wie West in der Nachkriegszeit. »Das war nicht nur ein mitteldeutsches Problem«, sagte der Lutherhaus-Chef.

Doch gerade hier seien in der gemeinsamen Abwehr des Staates die Reihen nach einer Schamfrist schnell wieder geschlossen wurden. So fand der zum Teil bis heute hoch angesehene Jenaer Theologe und wissenschaftliche Leiter des »Entjudungsinstitutes«, Walter Grundmann, dessen Bibelkommentare faktisch jeder Student kenne, wieder seinen Platz in der Landeskirche, erklärte Birkenmeier. Dass er von 1956 bis 1969 für die Stasi seine alten Widersacher von der »Bekennenden Kirche« ausspionierte, setze dem die Krone auf, fügte er hinzu.  ja/epd/kna

 

Andrea Kiewel

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